Tachykarde Rhythmusstörungen sind insbesondere bei jungen ärztlichen Kollegen ein mit grosser Angst besetztes Thema. Auch auf meinem Workshop EKG auf dem Stuttgarter Intensivkongress stellte ich fest, dass die Häufigkeit tachykarder Rhythmusstörungen doch selten ist, und das Teaching dieses Themas möglicherweise optimierungsbedürftig ist.
Wie kann man dies praktisch lösen. Zunächst schlage ich das Lesen zweier hervorragender, auf die Bedürfnisse der Notfallmedizin geschriebene, frei zugänglche Manuskripte vor (Schmalkomplextachykardien, Breitkomplextachykardien). Die Seite www.ebmedicine.net ist übrigens überhaupt sehr zu empfehlen.
Das heutige Hauptthema sind die Breitkomplextachykardien. Das praktische Vorgehen könnte so aussehen:
1. Bei hämodynamischer Instabilität sofortiges Einleiten der Notfallmaßnahmen inkl. Kardioversion. Wenn irgendwie möglich, wäre das Schreiben eines 12-Kanal EKGs sehr hilfreich. Aber .... lebensrettende Maßnahmen haben Vorrang.
2. Bei Patienten mit hämodynamischer Stabilität zunächst ein 12-Kanal EKG schreiben. Der Rhythmusstreifen sollte nicht zu kurz sein! Aufpassen, auch wenn der Blutdruck normal sein sollte, die Patienten sind häufig am Rande zur hämodynamischen Instabilität. Immer den Notfallwagen bereit stellen lassen!
3. Gehen Sie zunächst immer von einer ventrikulären Tachykardie aus. Dann sind Sie auf der sicheren Seite! Außerdem ist das 12-Kanal EKG nie hundertprozentig zuverlässig in der Differentialdiagnostik. By the way ... Geschlecht, Alter, Herzfrequenz, Blutdruck helfen nicht, um zwischen SVT und VT zu differenzieren! In der Praxis bedeutet Breitkomplextachykardie (QRS >0.12sec) immer VT .... bis zum Beweis des Gegenteils.
4. Suchen Sie aktiv nach den Zeichen für einen typischen Rechts- bzw. Linksschenkelblock, wenn auch die Herzachse (Lagetyp) stimmt, können Sie tatsächlich von einer SVT mit aberrierender Überleitung oder vorbestehenden Blockbild ausgehen.
5. Bestimmte Kriterien (z.B. Nordwestachse, Fusionbeats, Capture Beat, AV-Dissoziation, positive oder negative Konkordanz) sprechen klar für eine ventrikuläre Tachykardie.
Diesen praktischen Ansatz nennt man den Griffith Approach .... aus meiner Sicht sehr praktikabel! Die ausführliche Beschreibung finden Sie im Originalartikel von Lau et al. bzw. in unserer Checklist Breitkomplextachykardie.
Noch Fragen oder Kommentare? Schreiben Sie doch Ihre Gedanken in den Blog!
Die Tätigkeit in Notaufnahmen ist vielseitig und spannend. In diesem Blog stellen wir Neuigkeiten, Publikationen und noch viel mehr zu notfall- und akutmedizinischen Themen vor. Ziel ist es, Inhalte zu präsentieren, die praxisnah sind und unser tägliches Handeln in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation betreffen. Selbstverständlich greife ich auch Beiträge aus anderen Bereichen der Medizin auf. Ich freue mich auf Ihr Feedback und Ihre Kommentare! Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!
Aktuelles in Notfall- und Akutmedizin
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Vielen Dank für diesen Post.
AntwortenLöschenDavon ganz unabhängig würde mich eure Meinung zu folgender Site interessieren: http://www.thennt.com/
Vielleicht findet ihr einmal die Zeit darüber zu posten.
Danke
Komplexe vor breiten Komplexen: Brugada, Bayes oder Griffith?
AntwortenLöschenDie Anzahl der bis dato „entwickelten“ Algorithmen zur EKG-Diagnostik von Breitkomplextachykardien verdeutlicht , was der Begriff wörtlich beeinhaltet: die Komplexität dieser Rhythmusstörungen. Die Praktikabilität der von erfahrenen Rhythmologen/Elektrophysiologen entwickelten Algorithmen entspricht oft nicht dem Know-how des „an der Front in der Notaufnahme“ tätigen Assistenzarztes. In einer britischen Arbeit aus dem Jahr 2001(http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1046/j.1460-9592.2002.00822.x/pdf) wurden die drei klassischen Algorithmen (Brugada, Griffith, Bayes-Theorem), angewandt durch Assistenzärzte verschiedener Fachrichtungen, miteinander verglichen. Die bei Einführung der Algorithmen angegebenen Sensitivitäten und vor allem Spezifitäten für die Erkennung von ventrikulären Tachykardien konnten in der Arbeit nicht reproduziert werden. Die Autoren favorisierten den „Griffith-Approach“ als praktikabelsten Algorithmus.
In einer etwas aktuelleren Arbeit (http://www.kup.at/kup/pdf/7244.pdf) von Autoren eines nicht-universitären 500 Betten-Hauses werden die gängigen Algorithmen kritisch bezüglich ihrer Praktikabilität in einer Notfallsituation beleuchtet: Gelingt es Ihnen bei oft bizarr verformten Breitkomplextachykardien bestimmte QRS-Merkmale zu definieren? Oder im akuten Setting „cool“ zu bleiben, sich im breit-deformierten QRS-Komplex zurecht zu finden und zeitaufwendige Messungen vorzunehmen? Der hierarchische Aufbau der Algorithmen (einmal falsch = immer falsch + kein Weg zurück)wird kritisiert.
Am Ende des Artikels wird ein von den Autoren entwickelter Algorithmus erläutert, der durch seine Einfachheit, fehlende Hierarchie und vor allem durch die bildliche Darstellung durch Beispiel-EKGs besticht.
Ein Blick darauf lohnt! Auch wenn (oder gerade weil!) es sich nicht um einen von namhaften Spezialisten kreierten, fraglich praktikablen Algorithmus handelt!
Interessante Sichtweise. Dies habe ich so noch nicht bedacht und denke, dass man sich über die Thematik: wie schaffe ich einen Algorithmus zu kreieren, der mich auch in einer seltenen Situation cool bleiben lässt und das Problem lösen lässt (auch wenn der Algorithmus das letzte Mal vor 3 Monaten "gelesen" wurde). Gut!
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