ich hoffe ja noch immer auf eine breitere Akzeptanz des Gedankenguts von Aufklärung und Humanismus .... aber das soll nicht das heutige Thema sein.
Es gibt manche Fachartikel (wie der genannte von Cannon), die den Leser so fesseln, dass man sie nicht vergisst. Für mich stellt ein doch einige Jahre zurückliegender Artikel von Samuels aus Circulation 2007 ebenfalls ein derartiges Erlebnis dar.
Sie fragen, warum ich ausgerechnet heute auf einen fast 5 Jahre zurückliegenden Artikel verweise? Nun, weil wir täglich bei der Betreuung von Notfallpatienten damit konfrontiert werden: Vor wenigen Tage beobachteten wir bei einem relativ jungen Patienten mit bekanntem Alkoholabusus und einem epileptischen Anfalls den zeitabhängigen Anstieg von high-sensitive Troponin. Keine EkG Veränderungen, keine Wandbewegungsstörungen im Echo. Was nun tun?
Bei derartigen Situationen ist es nicht schlecht, etwas detaillierter über aktuelles aus der Pathophysiologie informiert zu sein, schliesslich treten Troponinerhöhungen auch bei Patienten mit intrazerebralen Blutungen, beim Schlaganfall, weiteren akuten Ereignissen des ZNS auf und nicht zuletzt kennen wir noch die Situation, dass psychischer Stress (z.B. der Tod des Partners, Kindes etc.) zu schweren kardialen Funktionsstörungen führen kann (z.B. Tako Tsubo Kardiomyopathie oder auch Stresskardiomyopathie).
Also, Interesse geweckt?
George Engel sammelte bereits 1971 über 150 Fälle, die er in einem lesenswerten Artikel "Folklore oder Volksweisheit" publizierte. Er beobachtete Todesfälle insbesondere unter folgenden Konstellationen:- Tod einer nahestehenden Person
- Akuter Gram oder Kummer
- eine nahestehende Person evtl. zu verlieren
- Trauer oder Jahrestag eines Todesfalles
- Verlust des eigenen Status bzw. Selbstvertrauens (denken Sie an Arbeitslosigkeit)
- Bedrohung des eigenen Lebens (z.B. Überfall, Verletzung, Trauma, etc.)
- nach einer Gefahr für Leib und Leben
- nach einem Triumpf, glücklichen Ende, nach Zusammenführung nach langer Trennung
Das Konzept der neurogenen viszeralen Organdysfunktion wurde bereits in den 1950er Jahren von einem Schüler Pavlovs (Nobelpreisträger, bekannt durch seine Arbeiten zu der Verbindung von Gehirn und Magensekretion), Hans Selye, auf direkte Stimulierung peripherer Nervenfasern, welche z.B. das Herz innervieren, zurückgeführt. Zentralnervöse Stimuli führen nachfolgend zu Veränderungen der Herzfunktion, welche relativ einfach im 12-Kanal EKG identifiziert werden (z.B. T- Wellen Augmentierung, ST Veränderungen, U-Welle etc.). Hierbei ist wichtig, dass offensichtlich zirkulierende Katecholaminspiegel weniger Auswirkungen haben, während die hypothalamische Stimulierung von das Herz innervierenden Nerven zu massiven Veränderungen am Herzen führen (vor allem sympathische, aber auch parasympathische Überaktivität, denken Sie an die Bradykardie). Zusammenfassend kann somit das Gehirn über direkte Verbindungen die kardiale Erregung und Funktion (koagulative Myozytolyse durch Ischämie) beeinflussen bzw. beeinträchtigen.
Lange Zeit wurde diese Phänomene nicht am Menschen beobachtet, aber schliesslich in den 60er Jahren in pathologische Studien von Patienten mit intrazerebralen Blutungen analysiert. Die kardialen Schädigungen korrelieren hierbei mit dem Schweregrad der Blutung nach Hunt Hess.
Auf zellulärer Ebene ursächlich ist offensichtlich ein überschiessender Calciumeinstrom in die Zelle ähnlich wie bei der Reoxygenierung nach Hypoxämie (der resultierende Kaliumausstrom führt dann zu den Beobachtungen der veränderten Repolarisation mit T-Wellen und ST Veränderungen). Offensichtlich sind diese Phänomene das Verbindende vieler Arten des plötzlichen unerwarteten Todes: z.B. beim epileptischen Anfall, beim Asthmaanfall, bei Toxidromen (Amphetamine, Kokain, Speed, etc), bei psychischen Belastungen (Tod durch Verlust des Partners), akutes Alkoholentzugsdelir u.v.m. ... ausgelöst durch Rhythmusstörungen oder myokardiale Nekrose mit kardialem Pumpversagen.
Ein theoretisches Modell der stattfindenden Prozesse sehen Sie hier:
Interessant, dass die Art der myozellulären Nekrose anders wie beim Infarkt ist: Die Nekrosen sind in einem hyperkontraktilen Zustand der Zellen nachweisbar, im Gegensatz dazu sind beim Infarkt die Zellen in einem relaxierten Zustand.
Für die praktische Tätigkeit in der Notaufnahme bedeutsam ist, dass Patienten mit
Schlaganfall und entsprechenden Veränderungen im EKG nicht nur obige Phänomene haben können, sondern - vermutlich zwar mitausgelöst durch die nervale Stimulation - auch eine symptomatische KHK aufweisen. Diese ist bedingt durch die häufig mit Apoplex assoziierte und durch gleiche Risikofaktoren verursachte koronare Herzerkrankung.
In der Literatur werden zahlreiche Therapieoptionen diskutiert, ich kenne jedoch keine validen Ansätze. siehe auch in der Abbildung der Übersicht von Samuels. Zusammenfassend lohnt es sich mit der Brain-Heart Connection auseinanderzusetzen. Ermöglicht manche Phänomene bei Notfallpatienten besser einschätzen zu können.
Aber es werden natürlich nicht nur Verbindungen zwischen Gehirn und Herzen diskutiert, sondern auch entsprechende Verbindungen von Gehirn und Darm (Brain Gut Connection ;-). Dazu gerne zu einem späteren Zeitpunkt mehr.
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