Antibiotika für Patienten mit unkomplizierter Appendizitis? Unsinn sagen Sie?
Nun einer der z.Z. am häufigsten gelesenen Artikel im BMJ ist eine Metaanalyse von 4 Studien zu diesem Thema.
Seit der ersten Appendektomie durch McBurney Mitte des 19. Jahrhunderts gehört die Appendektomie zum Standardverfahren bei Patienten mit akuter Appendizitis.
In dem oben zitierten Artikel wird die Erfolgs- und Komplikationsrate einer Metaanalyse von insgesamt etwa 900 Patienten mit unkomplizierter Appendizitis evaluiert.
Was sind die Grundüberlegungen:
Die Rate von "negativen" Appendektomien ist hoch. Patienten mit komplizierter Appendizitis können durch moderne Bildgebung identifiziert werden. Es gibt Daten, dass Patienten mit unkomplizierter Appendizitis, die mittels Antibiotika behandelt werden (mit Augmentan, Cefotaxim und Tinidazol, oder Gyrasehemmer behandelt), eine geringere Morbidität aufweisen.
Wie war das therapeutische Vorgehen in den Studien? Die Antibiotikagabe erfolgte für 24-48h intravenös, anschließend zwischen 8-10 Tage oral.
Was sind die Ergebnisse?
Die Antibiotikatherapie einer unkomplizierten Appendizitis ist als Initialtherapie offensichtlich durchaus eine Option. Die Erfolgsrate liegt bei 63%. Eigentlich nicht schlecht. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass bei etwa 20% zu einem späteren Zeitpunkt doch eine Appendektomie durchgeführt werden muss. Dies bedeutet aus meiner Sicht, dass natürlich das Follow-up, also die Nachsorge von Patienten unter Antibiotikatherapie gewährleistet sein muss.
Nun, im Diskussionsteil des Papiers wird noch auf viele andere Aspekte eingegangen. So ist laut aktueller Ergebnisse von epidemiologischen Untersuchungen durch moderne Bildgebung die Anzahl der Patienten, die eine "leichte Appendizitis" aufweisen, und damit auch die Anzahl der Operationen gestiegen, obwohl die Anzahl der komplizierten Appendizitis (die operiert werden muss) und die damit verbundenen Komplikationen gleich geblieben sind. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass ähnlich wie bei der radiologischen Diagnostik der Lungenembolie, eine "Überbehandlung" bestimmter Patientengruppen erfolgt (wir haben dazu einen kurzen Kommentar in Notfall- und Rettungsmedizin geschrieben). In diesen Fällen könnte tatsächlich die Antibiotikatherapie eine Option darstellen. Wenn innerhalb von 24-48h nicht wirksam, ist die OP indiziert. Eine derartige Vorgehensweise widerspricht auf der anderen Seite unserem Vergütungssystem ....
Was sind meine Schlussfolgerungen?
Insgesamt bin ich doch noch skeptisch bei dieser geschilderten Vorgehensweise. Das begleitende Editorial ist ebenfalls sehr zurückhaltend und geht nochmals sehr intensiv in diese Thematik ein. Der Autor des Editorials schlägt vor, auf überzeugende Arbeiten zu warten und die bisherige Vorgehensweise einer frühen Appendektomie zu bevorzugen. Werde mal mit unseren Chirurgen reden. Und natürlich gibt es viele Kommentierungen im Blog des BMJ. Spannend zu lesen! Meine Konklusion, man muss ja nicht unbedingt bei den "Ersten" dabei sein ;-)
Die Tätigkeit in Notaufnahmen ist vielseitig und spannend. In diesem Blog stellen wir Neuigkeiten, Publikationen und noch viel mehr zu notfall- und akutmedizinischen Themen vor. Ziel ist es, Inhalte zu präsentieren, die praxisnah sind und unser tägliches Handeln in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation betreffen. Selbstverständlich greife ich auch Beiträge aus anderen Bereichen der Medizin auf. Ich freue mich auf Ihr Feedback und Ihre Kommentare! Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!
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