Dienstag, 31. Januar 2012

YEP - Das Medikament der Woche: Ajmalin

YEP ..... was bedeutet das? YEP steht für "Young Emergency Physicians", unserem Nachwuchs. Jan Welker hat vorgeschlagen, einmal pro Woche unter der Rubrik "Das Medikament der Woche" unserem Nachwuchs wichtige Informationen zu "lebensnotwendigen Medikamenten" zu geben. Ich finde diese Initiative hervorragend. Nicht nur die Ärzte in Weiterbildung, auch die Pflegenden der Notaufnahmen und auch weitere Interessierte werden wertvolle Informationen finden.
Ich finde diese Initiative hervorragend! Viel Erfolg wünscht IHnen Ihr Michael Christ




Und nun beginnt die neue Rubrik ....


In der Rubrik „Medikament der Woche“ sollen Wirkstoffe besprochen werden, die in der Akutmedizin eine wichtige Rolle spielen. Teilweise werden Klassiker und häufig verwendete Präparate thematisiert, zum Teil aber auch Medikamente aus der zweiten und dritten Reihe. Neben dem Informationsaustausch geht es dabei ganz besonders um eine interaktive, gerne auch kontroverse Diskussion über Vor- und Nachteile des jeweiligen Wirkstoffs. Ziel ist es, wie immer in diesem Blog, theoretisches Wissen mit der klinischen Praxis abzugleichen.


„Schwester, bitte eine Ampulle Atschma..., ähm Aitschma, nee, Ätschm... Ach was solls, eine Ampulle Cordarex, bitte !“ ....  So, oder so ähnlich enden wahrscheinlich nicht selten Therapieversuche mit Ajmalin.  (Der Handelsname „Gilurytmal“ macht die Sache diesbezüglich übrigens nicht einfacher.)
Zusammen mit besagter Sprachbarriere führt die fehlende Bekanntheit des  Medikamentes (und fehlende Zulassung) in den USA zu einem Schattendasein, das dieser Wirkstoff eigentlich zu unrecht fristet.

Ajmalin gehört zur großen und verwirrenden Familie der Antiarrhythmika,  welche nach Vaughan Williams klassifiziert werden. Unser heutiges Medikament wird dort in die Klasse I A eingeordnet, also bei den Natrium-Kanal-Blockern.
Als solcher verhindert Ajmalin den schnellen Na+-Einstrom im Rahmen der Phase I der Depolarisation (Erregungsausbreitung im Herzmuskel) und verlängert so die Aktionspotential-Dauer. Anwendungsgebiete für Ajmalin sind supraventrikuläre und ventrikuläre Tachykardien, bzw. wenn nicht klar differenziert werden kann, welche von beiden vorliegt. Das macht unseren Kandidaten zu einem sehr flexiblen und vielseitigen Medikament, zumal es beim WPW-Syndrom Mittel der Wahl ist. 
Als besonderes Schmankerl kann Gilurytmal auch zur nicht invasiven Diagnostik von HRST genutzt werden, beispielsweise zur Demaskierung eines Brugada-Syndroms. Diese Anwendung spielt jedoch in der Akutmedizin eine eher untergeordnete Rolle und sollte dem Erfahrenen vorbehalten sein. Natürlich zeigt auch Ajmalin, wie alle seine Antiarrhythmika-Kollegen, potentiell proarrhythmogene Effekte, weshalb es stets unter Monitorkontrolle und in CPR-Bereitschaft appliziert werden sollte.

Die Standarddosis liegt bei 50mg per langsamer Injektion (=mehrere Minuten), um eine bei schneller Gabe drohende Pumpfunktionsstörung und damit verbundene Senkung des Blutdruck zu vermeiden. Bei unzureichendem Effekt kann eine Wiederholung der Gabe nach 30 Minuten, bzw. eine Dauerinfusion mit 0,5 – 1 mg/kg/h (bei einer maximalen Tagesdosis von 2000mg/d) erwogen werden. Äußerste Vorsicht ist bei vorbestehenden Herzerkrankungen mit eingeschränkter Pumpfunktion geboten. In diesem Fall kommt dann wieder Cordarex ins Spiel...

Alles in allem handelt es sich bei Ajmalin um ein kennenswertes Medikament, das bei richtiger Indikationsstellung einige Vorteile aufweist  und eine wichtige Rolle bei der Behandlung von HRST in der ZNA spielen kann - vorausgesetzt man kann es aussprechen.


(siehe  diesbezüglich auch „Das ABCD-Konzept bei HRST“ von Prof. Trappe).


Sonntag, 29. Januar 2012

Kardio-CT zur Abschätzung des kardiovaskulären Risikos?

Die technologische Revolution schreitet weiter voran und wir glauben immer, dass die neueste technologische Entwicklung uns in Riesenschritten weiterbringen würde. Technologischer Fortschritt als "Magic Bullet"?

Dies trifft natürlich auch auf uns Notfall- und Akutmediziner zu. Und wenn sich bei uns Patienten vorstellen, die wegen eines pathologischen Kardio-CTs mit Bestimmung des koronararteriellen Calciumscores sich in der Klinik vorstellen, ist die Verwirrung hoch .... muss dieser Patient nun abgeklärt werden oder ist eine Revaskularisierung notwendig.

In einem sehr lesenswerten wird auf die diagnostische Aussagekraft und die differentialtherapeutische Relevanz des Kardio-CTs eingegangen. Offensichtlich kann man sich in den USA gegen Selbstzahlung screenen lassen. Dies wird auch entsprechend bei den "potentiellen Kunden" beworben. Übeigens auch bei uns in Deutschland und auch in Nürnberg ....

Die sind ernüchternd. Die klinische Risikoabschätzung über potentielle koronare Ereignisse mit dem Framingham Risk Score bzw. anderen europäischen Modellen wie PROCAM etc. ist absolut ausreichend, der einzige Vorteil des CT-Screenings liegt offensichtlich darin, dass Patienten nach dieser Untersuchung eine höhere Compliance in der Medikation zeigen. Ist das ausreichend?

Und die Schlussfolgerung für uns Notfallmediziner? Das gute alte Belastungs-EKG hat bei der Abklärung von Patienten mit V.a. ACS immer noch die entscheidende Rolle (selbstverständlich auch andere Stresstestmethoden wie Szinti oder Stress-Echo).

Moderne und teuere Technologie muss nicht immer besser sein .... Guten Start in die Woche!

Samstag, 28. Januar 2012

Ist die prähospitale Intubation sinnvoll .... ?

Das ist natürlich eine sehr provokative Frage .... aber zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass prähospital intubierte Traumapatienten ein "schlechteres Outcome" haben wie Patienten, die erst in der Klinik intubiert wurden. Diskutiert wird, dass die betroffenen Patienten in der Präklinik möglicherweise ausgeprägtere Hypoxämien während der Intubationsversuche haben (hier nochmals die hervorragende Zusammenfassung zu Techniken der Präoxygenierung beim kritisch Kranken), Fehlintubationen stattfinden können und auch die definitive Versorgung in einem Traumazentrum verzögert würde. Einzuschränken ist, dass viele dieser Studien in den USA durchgeführt wurden, und dort die Intubation durch Parametrics erfolgt (ein Plädoyer für Anästhesisten im Notarztwagen .... ;-) ). Für "medizinische Patienten" gibt es keine vergleichbaren Aussagen bzw. Untersuchungen.

Eine aktuelle Studie mit Messung der end-tidaler CO2 Konzentration unmittelbar nach Ankunft der präklinisch intubierten Patienten in der ZNA (vor allem Traumapatienten, aber auch medizinisch kranke Patienten waren eingeschlossen) zeigt nun interessante Ergebnisse: Fast 50% der Patienten sind hypo- oder hyperventiliert und diese Patienten weisen eine erhöhte Sterblichkeit auf.

Sicherlich könnte auch hier Bias zu diesen Ergebnissen beitragen. Aber auch andere Studien zum Stellenwert der Hyperoxie nach "out of hospital CPR" bzw. bei akutem Myokardinfarkt weisen darauf hin, dass so einfache Techniken wie Ventilation und Oxygenierung auch im Setting der Präklinik besser monitorisiert und angepasst werden sollte.

Dies sind insgesamt spannende Ergebnisse und zeigen uns, dass der Teufel im Detail steckt. Nicht nur eine ausgefeilte Technik bei der Präoxygenierung und Intubation (zu einem früheren Zeitpunkt diskutiert), sondern auch die Technik der korrekten Ventilation und Oxygenierung scheinen von hoher Bedeutung sein. Gute Notfallmedizin ist eine extrem differenzierte und anspruchsvolle Tätigkeit, in Deutschland haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Schönes Wochenende.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Notfallmedizin, ECG, Apps, Blogs, and more

Hallo
An dieser Stelle nur ein paar kurze Infos.
Lars Lomberg erwähnte in seinem Blog http://www.nofame4u.de/ eine neue Serie von Podcasts zum Thema Intoxikationen (http://www.toxtalk.org/). Nicht schlecht gemacht. Auch für unsere Klinik, die sich seit vielen Jahren als Tox-Zentrum in Nordbayern etabliert hat, eine gute Info-Quelle.

Außerdem möchte  ich auf eine hervorragende EKG App fürs iPad verweisen. Schauen Sie mal unter http://www.qxmd.com/ rein und laden Sie sich den ECG guide ins iPad. Phantastisch bearbeitet.

schönen Abend
Ihr Michael Christ

Mittwoch, 25. Januar 2012

ARD "Report" - Chaos in der Notaufnahme

Liebe Freunde der klinischen Notfall- und Akutmedizin
Gestern kam im ARD Magazin "Report" eine Bericht über Zustände in den Notaufnahmen Deutschlands.
Insbesondere das Autorengespräch ist sehr differenziert und interessant.
Schönen Tag, Ihr MC

Dienstag, 24. Januar 2012

Schwindelig in der Notaufnahme

„Schwindel“ stellt den Kliniker im Notaufnahme-Alltag immer wieder vor eine knifflige Aufgabe.
Die Komplexität dieses Leitsymptoms beginnt bereits bei der sprachlichen Unschärfe des Begriffes selbst. So beschreiben Patienten unangenehme Zustände aller Art als „Schwindel“ und meinen damit Unwohlsein, Gangunsicherheit, Benommenheit, Ataxie und vieles mehr, so dass bei der Differentialdiagnose von „mir ist so schwindelig“ von der Präsynkope über das Dysequilibriumsyndrom bis hin zum Schlaganfall an alle möglichen Ursachen gedacht werden muss. Deshalb ist eine genaue und vollständige Anamnese bei diesen Patienten unerlässlich, um tatsächlichen „Vertigo“ (d.h. der "echte Schwindel" im Sinne der Beteiligung des N. vestibularis mit seinen zentralen Verschaltungen) von anderen  schwindelartigen Zuständen abgrenzen zu können. Eine gute Übersicht zur Diagnostik von Schwindel und "Dizziness" finden sich unter den angegebenen Links.
Ist man dann endlich beim „echten Schwindel“ angelangt, wird’s erst richtig interessant. Nun gilt es nämlich die relativ harmlosen peripheren Ursachen vom potentiell gefährlichen zentralen Schwindel, der einen Stroke anzeigen kann, zu unterscheiden. Spätestens an dieser Stelle wird es meist interdisziplinär und man zieht die Kollegen der Neurologie und der HNO-Heilkunde hinzu. Am Ende steht dann schließlich häufig die Bildgebung, also CCT und/oder cMRT.
Nicht selten befindet sich der Patient zu diesem Zeitpunkt mehrere Stunden in der ZNA und die Abklärung des „Schwindels“ hat bereits (mindestens) einen Internisten, einen Neurologen, einen HNO-Arzt und einen Radiologen verschlissen und damit erhebliche Ressourcen beansprucht.
Der 2009 in der Stroke erschienene Artikel „HINTS to diagnose Stroke in the Acute Vestibular Syndromevon Kattah et al. zeigt interessante Wege zur effektiven Abkürzung dieser Diagnosefindung auf. Mit insgesamt drei Untersuchungstechniken, dem HINTS-Exam, kann rasch und sicher eine periphere von einer zentralen Ursache der Schwindelsymptomatik (also Neuritis vestibularis vs.Hirnstamm- oder Kleinhirninfarkt)  unterschieden werden. HINTS steht dabei für „Head-impulse-testing“, „Nystagmus“ und „Test-of-Skew“, also neurologische Untersuchungsmethoden, die anhand der Okulomotorik Rückschlüsse über die Lokalisation der Läsion zulassen. Mit etwas Übung können so Zeit und Ressourcen gespart und der Patient schneller einer entsprechenden Behandlung zugeführt werden.
In diesem Kontext würde mich besonders die Meinung erfahrener Kollegen aus der Neurologie und HNO-Heilkunde interessieren, die sicherlich die größte Erfahrung mit dem „Krankheitsbild Schwindel“ haben.

Wer sich überhaupt  auch mal einen Überblick zum Management verschaffen will, findet bei den amerikanischen Allgemeinmedizinern eine schöne Übersichtsarbeit. Viel Spass dabei.

Montag, 23. Januar 2012

Calcium oder Calcium? Das ist hier die Frage ...

Liebe Freunde der Notfall- und Intensivmedizin, Jan Welker hat sich mit seinem Beitrag zu Calciumpräparaten (siehe unten) in die Tiefen der Notfallmedizin gegeben (wo es offensichtlich uns so richtig Spaß und Freude macht). Lesen Sie die detaillierten und praxisrelevanten Beschreibungen! Schönen Start in die Woche! Ihr Michael Christ

Und nun zum Beitrag von Jan Welker:

Calcium (oder dessen Kation) spielt im Organismus an verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle. Entsprechend können Calcium-Präperate in der Akutmedizin in den unterschiedlichsten Situationen indiziert sein.

So können diese zur Membranstabilisierung bei ausgeprägter Hyperkaliämie, als Inotropikum bei akuter Herzinsuffizienz/kardiogenem Schock oder auch als „Antidot“ bei einer Calciumkanalblocker-Intox zum Einsatz kommen (um nur einige zu nennen).

Basierend auf einem Podcast von Notfallmedizin-Legende Scott Weingart auf dessen Blog emcrit.org (wirklich lesens- und vor allem lesenswert!) möchte ich hier einige Unterschiede zwischen den gängigen Calciumpräperaten Calciumglukonat und Calciumchlorid aufgreifen und mit Euch diskutieren. Bei beiden ist das Ca2+ der wirksame Teil, um den es bei der Gabe des jeweiligen Präperates geht, allerdings bringt der jeweils andere Bindungspartner Unterschiede mit sich, die das Gesamtpaket (und damit dessen Eigenschaften) verändern.

Glukonat ist ein Kohlenhydrat-Anhängsel, das osmotisch wirksam ist und erst bei einem „first pass“ durch die Leber abgespalten werden muss, bevor der Calciumteil wirksam werden kann. Der Chloridteil am Calciumchlorid dagegen ist weder osmotisch wirksam, noch macht er einen Leberdurchgang notwendig, weil er bei Plasmakontakt sofort dissoziiert. Daraus resultieren einige Vorteile, die Calciumchlorid auf den ersten Blick zum cooleren Calciumpräperat machen:

Es ist potenter was den wirksamen Calciumanteil angeht (1g Calciumchlorid entsprechen ca. 3 g Calciumglukonat) und kann mangels osmotischer Eigenschaften als Bolus relativ zügig „gepushed“ werden, muss also nicht als Kurzinfusion gegeben werden. Schließlich zeichnet es sich durch einen schnelleren Wirkungseintritt aus, weil es eben nicht erst in der Leber weiterverarbeitet werden muss. Letzteres hat auch zur Folge, dass es bei schlechter Perfusionssituation, bei Herzinsuffizienz oder im Schock (wenn also die Leber wenig Blut abbekommt), trotzdem wirken kann.

Alles in allem scheint also Calciumchlorid der Punktsieger zu sein.
Einen Haken hat die Sache jedoch noch: Calciumchlorid braucht einen sicheren Zugang, also idealerweise einen ZVK oder zumindest eine großlumige (mit NaCl-Bolus getestete) Braunüle. Denn als Extravasat macht es schlimme Nekrosen und damit potentiell richtig Ärger…

Welche Erfahrungen haben Sie mit den o.g. Präperaten gemacht? Stehen beide in Ihrer Klinik zur Verfügung und wie wird bei Ihnen die Indikation für das jeweilige Medikament gestellt? Spielen o.g. theoretische Überlegungen in der Praxis überhaupt eine Rolle? Fragen über Fragen…

Freitag, 20. Januar 2012

EKG für jeden Tag - Ableitung aVR

Die Ableitung aVR wird von vielen Kolleginnen und Kollegen regelrecht missachtet. Man könnte somit eigentlich auch vom 11-Kanal EKG reden .... Die Ableitung aVR bietet aber in der Risikoabschätzung bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom wertvolle Informationen: minus aVR ist auf die linke untere Region des Herzens projeziert und deckt den von anderen Ableitungen nicht abgedeckten Bereich der elektrischen Vektoren ab. Bringen Sie sich nochmals den Cabrera Kreis in Erinnerung! Bei Wikipedia ist dies schön eingezeichnet und auch das Modell der normalen Erregungsausbreitung ist sehr hilfreich.

aVR bei Patienten mit ACS
Nun, was sagt uns die Ableitung aVR? Eine Hebung (entspricht einer Senkung linkslateral) deutet auf eine Ischämie im Versorgungsbereich der linken Koronararterie hin. Eine Hebung von (0.05 - ) 0.2 mV und mehr ist ein Prädiktor für das Vorhandensein einer schweren koronaren Dreigefäßerkrankung bzw. einer Hauptstammstenose/proximalen RIVA Stenose. Also, einfach die Ableitung aVR nicht vergessen, es stecken viele Informationen drin! Gute Übersichten finden sich hier oder hier.

Vergessen Sie aber nicht, dass es auch Mimics der ST-Elevation gibt!

Interessant ist, dass die T-Welle der Ableitung aVR prognostische Bedeutung hat! Eine positive T-Welle in aVR (in Abwesenheit eines LSB) ist in über 90% der Fälle mit einer strukturellen Herzerkrankung assoziiert und die Prognose ist eingeschränkt! Das Risiko zu versterben ist gegenüber der Referenzgruppe um das Fünffache erhöht! Schon die T-Wllenabflachung in aVR ist mit einem höheren Risiko verbunden (normal ist in aVR eine T-Welle tiefer als 0.2mV). Diese interessanten Infos gibt es zusammengefasst zu lesen in einem aktuellen Artikel aus 2010.



aVR bei der Beurteilung von Breitkomplextachykardien
Und dann hilft die Ableitung aVR auch bei der Beurteilung einer Breitkomplextachykardie. Die Differentialdiagnose zwischen VT und SVT ist schwierig (Wertvoller Tipp für die tägliche Praxis .... MERKE: Es handelt sich immer um eine VT, bis das Gegenteil bewiesen ist!). Eine positive R-Zacke, ein r oder q>40ms, eine Knotung im absteigenden Schenkel der Depolarisation bzw. ein v-i/v-t <1 (Verhältnis von Initialem bzw. terminalen Ausmaß der Depolarisation) sprechen schwer für eine VT. Lesen Sie diesen sehr praxisnah geschriebenen Artikel von Vareckei et al. (mit vielen Abbildungen und Erklärungen) und Sie werden in das Reich der praxisrelevanten Elektrophysiologie entführt! Hilft extrem bei der Erstbeurteilung einer Breitkomplextachykardie in der Notaufnahme, und ist praxisnah.

Der geschilderte Algorithmus ist natürlich (vergleichbar den Wellens-Kriterien bzw. Brugada-Kriterien) NIE hundertprozentig wasserdicht. Lassen Sie sich auf die Erklärungen ein, da man dadurch einen tieferen Einstieg in das Verständnis der EKG- Interpretation erhält! Übrigens finde ich den Griffith Approach für die EKG Beurteilung einer Breitkomplextachykardie eigentlich am besten mit hoher Praxisrelevanz. Dazu zu einem späteren Zeitpunkt mehr!

Donnerstag, 19. Januar 2012

Mir tut es weh, ich halte das nicht mehr aus .....

Ein Artikel im aktuellen N Engl J Med hat mich mal wieder auf ein riesiges Problem in der Notaufnahme aufmerksam gemacht: Der Patient mit Schmerzen in der Notaufnahme! Jetzt werden Sie sagen: ist doch kein Problem, ist doch alles in Ordnung .... leider nein.

Leider ist das nicht so richtig. Der zitierte Artikel im New England Journal geht darauf ein, wie wenig wir doch mit einem korrekten Schmerzmanagement vertraut sind und wie wenig wir neben Schmerzmitteln über andere Möglichkeiten der Schmerztherapie uns auskennen.

Aber nicht nur das NEJM geht auf diese Problematik ein. Lars Lomberg hat schon vor längerem auf seinem Blog nofame4u auf die Thematik Schmerzmanagement in der Notaufnahme hingewiesen. Hier ist der Link, gut zu lesen und mit Verweisen auf gute Seiten verknüpft!

Ich bin da selbst geschädigt: Ich hatte ein pochendes Panaritium an einem Finger (liegt Gott sei Dank schon Jahre zurück), und der zuständige Chirurg nahm den scharfen Löffel .... und befreite mich von der Last. Aber schön war das nicht .... Dass der Schmerz vorbeigeht (O-Ton des Chirurgen), war mir übrigens auch selbst klar.

Jetzt werden Sie sagen .... das kommt bei uns nicht vor. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die fehlende Aufmerksamkeit bzgl Schmerzen eine der häufigsten Beschwerden in unserem "Meckerkasten" ist! Dies bedeutet, dass wir uns im Laufe des Jahres näher mit einem schlüssigen Schmerzkonzepz befassen müssen und werden. Schmerzen sind so häufig, so dass wir uns nicht auf das Vorhandensein von Schmerztherapeuten verlassen dürfen. Wir müssen dies in der Notaufnahme selbst in die Hand nehmen und Schmerzen bei Notfallpatienten Ernst nehmen. Und dies ist eine Aufgabe von Ärzten UND Pflegenden.

Ein sehr praktischer Artikel ist im Internet abrifbar (Pain Management in the Emergency Department). Auch in Medscape, und hier finden Sie interessante Infos. Oder suchen Sie selbst unter "pain management in the emergency department" bei Google. Auch die
Fachgesellschaften haben gute Übersichtsartikel. Beschäftigen Sie sich doch mit diesem Wichtigen Thema intensiver .... man wird erstaunlich wachgerüttelt.

Dienstag, 17. Januar 2012

Kalium - Kleine Teilchen, grosser Ärger

Hallo, heute wieder ein Gastbeitrag unseres Kollegen Jan Welker. Hervorragend geht er auf die wichtigen Punkte bei Patienten mit Hyperkaliämie ein. Danke sehr!

Elektrolytentgleisungen spielen in der Akutmedizin eine große Rolle. Eine der häufigsten und die vielleicht Gefährlichste stellt die Hyperkaliämie dar. In den meisten Fällen ist eine Niereninsuffizienz die (Mit-)Ursache, nicht selten kommen weitere auslösende Faktoren wie unglückliche Medikamentenkombinationen (ACE-Hemmer + Kalium-sparende Diuretika etc.) oder Rhabdomyolyse  hinzu.
Die Hauptgefahr bei der Hyperkaliämie geht von der elektrophysiologischen Wirkung auf die Herzmuskelzellen und die daraus resultierenden Rhythmusstörungen aus. Einziger Schutz vor selbigen bzw. die einzig effektive Therapie dieser ist ein schnelles und effektives Management der zugrunde liegenden Elektrolytentgleisung.

In seinem wirklich gelungenen Übersichtsartikel „Management of severe hyperkalemia“ , erschienen in der Crit Care Med 2008, stellt der Nephrologe und Intensivmediziner Lawrence S. Weisberg das interessante und wichtige Thema umfassend und Praxis orientiert dar. Nach einer kurzen Erörterung der Pathophysiologie werden die effektivsten Therapiestrategien erklärt. In diesem Kontext wird klar, dass der Trigger für die Behandlung der Hyperkaliämie nicht das Auftreten der typischen EKG-Veränderungen  (spitze T-Welle, Verschwinden der P-Welle, Verbreiterung des QRS-Komplexes etc.) sind, weil diese längst nicht immer und schon gar nicht in Lehrbuch mäßiger Reihenfolge einer malignen HRST vorangehen, sondern ein (verifizierter) Kaliumspiegel von 6,5mmol/l bereits ein rasches Handeln indiziert.

Dieses kann über drei grundlegende Strategien erfolgen, die zügig und gleichzeitig angewendet werden können und sollten: Stabilisierung der Herzmuskelzellmembran mit Calcium als „Arrhythmieschutz“ ,Kaliumumverteilung von extra- nach intrazellulär beispielsweise mittels Insulin (und Glukose) und/oder der inhalativen Applikation von Beta-2-Sympathikomimetika als temporäre Maßnahme zur Senkung des Kaliumspiegels und schließlich die definitive Eliminierung des Kaliums durch Hämodialyseverfahren. (Eine Übersicht der Therapiestrategien inklusive der Dosierungen ist als Behandlungsstandard auch auf unserer Klinikhomepage zu finden).

Alles in allem ein wirklich informativer und praxisnaher Artikel, der im Arbeitsalltag eine wertvolle
Hilfe beim Umgang mit der Hyperkaliämie sein kann und dazu beiträgt, den großen Ärger mit den kleinen Teilchen zu vermeiden.

Sonntag, 15. Januar 2012

Akute Atemnot - hätten Sie daran gedacht?


Im N Engl J Med der letzten Woche ist ein didaktisch hervorragend aufbereiteter Fall einer 47jährigen Frau, die sich wegen Atemnot in der Notaufnahme vorstellt (hier ist der Link). 

Lesen Sie sich den Fall in Ruhe durch. Für mich war der Fall zunächst ziemlich klar, habe - vermutlich wie Sie und auch die Kommentatoren - zunächst an eine Lungenembolie gedacht ..... aber im weiteren Verlauf zeigen sich Wendungen auf, die sehr spannend sind. 

Ich erinnere mich an ähnliche Fälle, in denen wir ebenfalls nicht so recht weiter wussten. 

Guter Start in die Woche!

Freitag, 13. Januar 2012

Vorhofflimmern und noch mehr Verwirrung

Im gestrigen New England Journal ist ein interessanter Artikel zum Thema
Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko enthalten. Healey et al untersuchten bei über 2000 Patienten den Stellenwert von "subklinischen, paroxysmalen Episoden" von tachykardem Vorhofflimmern in Bezug auf das Schlaganfallrisiko. Dies war möglich, in dem man die Monitoringfunktion von implantierten Schrittmachern verwendete.

Das Ergebnis bestätigt die Ergebnisse kleinerer Studien: Etwa 10% der Patienten hatten klinisch nicht bemerkte Episoden von tachykardem Vorhofflimmern von einer Dauer >6min, und dies war mit einem erhöhtem Schlaganfallrisiko assoziiert. Je länger diese Episoden, um so höher das Risiko. In den Patienten mit diesen nicht bemerkten Episoden von Vorhofflimmern war auch das Risiko, zu einem späteren Zeitpunkt klinisch bemerkbares Vorhofflimmern zu bekommen um das Fünffache erhöht.

Was bedeutet das für uns? Das begleitende Editorial geht sehr differenziert auf die verschiedenen Aspekte der Untersuchung ein. Offensichtlich gibt es Patienten mit einem Schlaganfall "unklarer Genese" (kryptogener Schlaganfall), der auf klinisch nicht evidentes Vorhofflimmern zurückzuführen ist. Außerdem scheint paroxysmales Vorhofflimmern nicht so ungefährlich zu sein, wie während meiner Ausbildung noch vermutet. Inwieweit aus diesen Daten schon Therapieempfehlungen abgeleitet werden können, steht aber in den Sternen.

Botschaft für uns weiterhin ist, dass Patienten mit paroxysmalem bzw. permanentem Vorhofflimmern antikoaguliert werden sollten, wenn sie einen erhöhten CHADSVASC Score aufweisen. Mit diesem Score wird das prokoagulatorische Risiko abgeschätzt. Das assoziierte Blutungsrisiko ist auch beim älteren Patienten geringer als der Benefit, den die Antikoagulation mit sich bringt.

Nürnberger Herztage stehen vor der Tür

Liebe Kolleginnen und Kollegen
Unser Adventssymposium ist noch nicht lange her, schon beginnt der Reigen der Fortbildungsveranstaltungen im neuen Jahr.

Heute und morgen finden die Nürnberger Herztage statt (Programm hier). Eine tolle Fortbildungsveranstaltung auf der das aktuelle Wissen zu kardiologischen
Themen von renommierten Referenten vorgestellt wird. Schauen Sie doch vorbei!

Donnerstag, 12. Januar 2012

Taschenmesser im Bauch - Qualitätszirkel Notfallmedizin

Gestern hatten wir einen sehr spannenden Qualitätszirkel Notfallmedizin (immer der 1. Mittwoch im Monat, 16:00h, Klinikum Nürnberg Süd, Raum A.EG50; Terminplan hier). Unsere Kollegen (Drs Hornaß und Gesslein) stellten anhand eines Falles die Systematik der Diagnostik und Therapie thorakoabdomineller Stichverletzungen dar. Für mich war sehr interessant zu hören, dass die Notfallsonographie FAST nur eine eingeschränkte Sensitivität bei Stichverletzungungen des Bauches mit Eröffnung des Peritoneums hat (siehe auch Gesslein et al. MMW - Fortschritte der Medizin 2011; 153 (26-28): 36-37). Das CT ist häufig hilfreich, ggf. laparoskopische Evaluation. Bei instabilen Patienten muss sofort laparatomiert werden. Auch die Problematik von Stichverletzungen im thorakoabdominellen Übergang (unterhalb der Mamillen) ist sehr heikel. Meist ist das Zwerchfell betroffen, eine chirurgische Intervention in den meisten Fällen unabdingbar.

Dann haben wir uns über Modelle unterhalten, wie ein Notfallmediziner zu einer diagnostischen Entscheidung kommt. Die meisten Entscheidungen werden aufgrund von Mustererkennung intuitiv gelöst, während der analytische
Weg bei unklaren Fällen verwendet wird. Berufsanfänger verwenden meist den analytischen Weg (und sind langsam), während Erfahrende mit dem intuitiven Weg schnell sind, hierbei aber erhebliche Fehler passieren: Der intuitive Weg ist sehr fehleranfällig und vom Kontext des Umfeldes abhängig. Wer denkt hier nicht an die eigene Abwehr beim übergewichtigen, ungewaschenen Alkoholiker, oder an "nervend erscheinende Patienten" ...Professionelle Nüchternheit ist hier angesagt). Eine spannende Zusammenfassung gibt es von Pat Croskerry (weitere hervorragende Arbeiten unter Pubmed!). Wer mehr über die Thematik, wie kommt ein Arzt zu einer Diagnose, lernen will (und dabei auch inhaltlich hervorragend aufbereitete Fälle lesen möchte) sollte sich dieses Buch kaufen.

Die Verwendung von Checklists soll die Fehlerhäufigkeit reduzieren helfen (siehe Pat Croskerry oder Atul Gawande). Die Traumatologen haben hierzu eine traumhafte Webseite eingestellt, welche einen umfassenden Überblick über Diagnostik und Therapie in Abhängigkeit von der anatomischen Lokalisation gibt(siehe www.aosurgery.org) Hätte ich gerne zur Examensvorbereitung gehabt. Auch als iphone App erhältlich.

Montag, 9. Januar 2012

Tipps für die Therapie von tachykarden Rhythmusstörungen

Heute ein Gastbeitrag von Kollegen J. Welker von der Notaufnahme Klinikum Nürnberg. Sehr praxisnah geschrieben und sehr spannend zu lesen. Vielen Dank!

Herzrhythmusstörungen (HRST) in der Notaufnahme bringen Stress. Für den Patienten sehr häufig und für den behandelnden Arzt nicht viel seltener. Die Ursache für den ärztlichen Stress liegt vermutlich daran,  dass sowohl Diagnostik als auch Therapie der HRST nicht ganz einfach sind. Ersteres erfordert fundierte EKG-Kenntnisse, zweites ausreichenden Durchblick in Bezug auf Antiarrhythmika.
Letztendlich ist für die adäquate Behandlung einer HRST in der NA auch ein gutes Stück Erfahrung notwendig und die sammelt man bekanntlich durch das Machen von Fehlern. Unglücklicherweise gehören Rhythmusstörungen zu den Krankheitsbildern, die Fehler nur schlecht verzeihen. Und weil man das nur allzu gut weiß, hat man Stress.

Was also tun um möglichst Fehler und Stress frei zu seinen Erfahrungen zu kommen?
Eine Möglichkeit stellen Guidelines (ERC etc.) und Algorithmen dar, eine andere können Übersichtsarbeiten und Zusammenfassungen sein. In seinem Artikel „Arrhythmietherapie in der Intensivmedizin: Was ist notwendig, was überflüssig?“ fasst Prof. Trappe das komplexe Thema einfach und vor allem benutzerfreundlich zusammen, indem er die wichtigsten Therapieoptionen als „5ABCD-Konzept“ vorstellt.

Die 5 „A“ stehen für die fünf wichtigsten Medikamente zur Therapie von HRST:
Adenosin als Mittel der Wahl zur Behandlung von regelmäßigen Schmalkomplex-Tachykardien.
Initial 6mg i.v. ( im zweiten Versuch 12mg i.v.; als Bolus verabreicht, 10mL 0.9% NaCl Lösung als Flush) des Medikamentes rufen eine kurzzeitige vollständige AV-Blockierung hervor, die mit hoher Wahrscheinlichkeit AV-Knoten-Reentry-Tachykardien terminiert. Aufgrund der sehr kurzen Halbwertszeit von Adenosin wird das „Antidot“ Theophyllin (z.B. bei Bronchospasmus) selten benötigt.
Adrenalin kommt beim Kreislaufstillstand zum Einsatz. Bei Asystolie und PEA so schnell wie möglich, bei Kammerflimmern nach dem zweiten Defibrillationsversuch. In einer Dosis von jeweils 1mg fraktioniert wird die Gabe alle 2-3 Minuten wiederholt (1mg Adrenalin auf 10mL in 0.9% NaCl Lösung).
Ajmalin kann bei kreislaufstabilen tachykarden Patienten, bei denen der Ursprung der Tachykardie (supraventrikulär vs. ventrikulär) nicht zu eruieren ist, appliziert werden.  Die Gabe sollte mit 50mg als langsame Injektion (ca. 5 Minuten, fraktioniert unter EKG und Blutdruckkontrolle) erfolgen.
Amiodaron  scheint die „Mutter aller Antiarrhythmika“ bei tachykarden HRST zu sein.
Nicht nur, dass seine Wirksamkeit bei polymorphen VTs und bei  Schock-refraktärem Kammerflimmern nachgewiesen werden konnte (150-300mg iv als Bolus),  auch die Konversion von Vorhofflimmern in einen Sinusrhythmus gelingt mit Cordarex (300mg iv über 30 Minuten) in einem großen Teil der Fälle.
Atropin ist indiziert bei vagal bedingten Asystolien, AV-Blockierungen im AV-Knoten (nicht bei  infranodalen Blöcken, oder AVB III) und Sinusbradykardien. Appliziert wird es als iv-Bolus von 1mg,
bis zu einer Höchstdosis von 3mg.

Das „B“ steht für die Betablocker, die bei der Frequenzkontrolle bei der TAchyarrhthmia absoluta  ihren Auftritt haben. Hier wird neben Metoprolol und Bisoprolol v.a. Esmolol erwähnt.
Letzteres zeichnet sich durch eine kurze Halbwertszeit und einer daraus resultierenden
guten Steuerbarkeit aus. Aber aufpassen! Bei Zeichen eines „Low-Output Syndroms“ bzw. akuter Herzinsuffizienz sind Betablocker kontraindiziert! Hier kann Amiodaron helfen (siehe oben).
Die Buchstaben „C“ und „D“ kürzen Cardioversion und Defibrillation ab, die das Konzept abrunden
und bei instabilen Patienten bzw. zur Reanimation eingesetzt werden.

Das „ABCD-Konzept“, das Prof. Trappe in seinem lesenswerten Artikel propagiert, entrümpelt auf wohltuende Weise das Arsenal an Medikamenten und Konzepten bei der Behandlung von HRST
und trägt dazu bei, einen Zugang zu dieser komplexen Thematik zu finden.
Für alte Hasen und erfahrene Rhythmologen wird der Artikel wahrscheinlich nicht viel wirklich Neues bringen, aber für alle Lernenden (und Lehrenden !) kann er dabei helfen den Stress, den Herzrhythmusstörungen verursachen erheblich zu senken.

Sonntag, 8. Januar 2012

Neue Therapieoptionen bei tiefer Beinvenenthrombose?

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Therapieoptionen bei Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose etabliert, und dadurch die Morbidität und Mortalität betroffener Patienten reduziert. Nicht zuletzt durch die adäqute Prävention bzw. Therapie einer assoziierten Lungenembolie. Die sofortige Antikoagulation mit Heparin, LMWH bzw. moderneren Substanzen, die Überlappung mit oraler Antikoagulation (z.B. Markumar etc.) und die Verordnung von Kompressionsstrümpfen (30-40mmHg) sind heute nicht mehr wegzudenken (siehe AWMF Leitlinie, siehe US-amerikanische Leitlinie).

Betroffene Patienten ohne Hochrisikokonstellationen können ambulant behandelt werden, auch die früher praktizierte Bettruhe gehört zwischenzeitlich im Normalfall der Vergangenheit an. Eine kurze und prägnante Zusammenfassung gibt eine aktuelle Übersichtsarbeit, in der auch auf das Problem des postthrombotischen Syndroms (ca. 1/4 von Patienten mit TBVT sind davon betroffen!) eingegangen wird und mögliche gefässchirurgische Interventionen und auch pharmakologisch/mechanische Kombinationsverfahren in Aussicht gestellt werden.

Im 'The Lancet' dieser Woche wird nun erstmalig eine große Studie zum Stellenwert einer katheter-basierten, lokalen Thrombolyse bei Patienten mit proximaler tiefer Beinvenenthrombose (Einschlußkriterium u.a. Thrombose der V. iliacae bzw. des ileacofemoralen Übergangs) vorgestellt: Das Risiko eines postthrombotischen
Syndroms (Assessment des PTS ist in Tab. 2 der Arbeit definiert) wird in erstaunlichem Umfang durch die CDT reduziert (absolute Risikoreduktion 14%, NNT 7)! Das bei der systemischen Lyse assoziierte erhöhte Blutungsrisiko ist bei der CDT nicht nicht nachweisbar.
Im begleitenden Editorial wird auch noch auf die Diagnostischen Probleme von proximalen TBVT eingegangen (Duplex eher schlecht, Venographie mittels CT wird in Zentren favorisiert). Auch das Stenting von Ileofemoralen Engstellen wird - trotz spärlicher Datenlage - wegen besserer rheologischer Bedingungen von Zentren diskutiert und vom
Autor empfohlen.

Was bedeutet das in der aktuellen Situation für uns? Insbesondere jüngere Patienten mit proximalen Beinvenenthrombose sollten adäquat diagnostisch aufgearbeitet werden (auch an die Diagnostik im Bereich der V. iliaca denken!), und in Abstimmung mit den Spezialisten in Zentren (z.B. Gefäßchirurgie, interventionelle Radiologen) ein differentialtherapeutisches Vorgehen geplant werden. Offensichtlich trägt ein derartiges Vorgehen bei, das mit dem postthrombotischen Syndrom verbundene individuelle Leiden in einem klinisch relevanten Umfang zu reduzieren.

Samstag, 7. Januar 2012

ACS reloaded

Bei einigen Gesprächen zu einem früheren Post (ACS in der ZNA) ist nochmals das Thema Stellenwert von kardiovaskulärne Risikofaktoren zur Sprache gekommen:

Auch wenn wir dies aus dem Studium anders in Erinnerung haben. Das Vorhandensein oder Fehlen von cvRF erlaubt NICHT die Diagnose eines ACS zu stellen oder dies zu verwerfen. cvRF sind Prädiktoren für einen möglichen Infarkt bzw Infarktrisiko in der Zukunft, helfen aber nicht bei der Entscheidung, ob bei einem Patienten mit Thoraxschmerz in der ZNA zu entscheiden, ob die Diagnose Infarkt oder ACS vorliegt. Hierzu dienen andere Infos wie Beschwerdesymptomatik, EKG, Biomarker, Echo etc..... Nachzulesen in den Guidelines. Auch die Tabelle aus dem früheren Post mag helfen.

Klingt theoretisch, ist für die tägliche Praxis sehr wichtig: Das Vorhandensein von cvRF sind KEINE unabhängigen Prädiktoren für die Diagnose Infarkt bzw. ACS!

Donnerstag, 5. Januar 2012

Obere GI-Blutung. Wann Gastroskopie?

Wer kennt nicht das Problem: Patienten stellen sich wegen Zeichen einer oberen GI-Blutung in der Notaufnahme vor und man ist sich nicht so im Klaren, wann bzw. wie der Endoskopeur entscheidet. Die konkrete Frage lautet: Ist eine frühe (<24h) bzw. sofortige endoskopische Abklärung notwendig? Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass in unselektierten Patienten mit oberer GI-Blutung eine Endoskopie innerhalb von 12h nicht unbedingt zu anderen Ergebnissen führt wie eine Endoskopie >12h später. Nachzulesen u.a. auch in folgender Arbeit.

Zu dieser wichtigen klinischen Frage gibt es ein paar sehr interessante Arbeiten:
In der Arbeit von Huang et al. wird in einer retrospektiven Analyse der Frage nachgegangen, ob das Legen einer Magensonde mit anschließender Spülung die Entscheidung zur frühen Endoskopie sinnvoll unterstützt. Die Untersucher und das begleitende Editorial folgern, dass über diese Vorgehensweise ("Magenspülung mit Magensonde") die sinnvolle Indikationsstellung einer sofortigen Endoskopie nicht getroffen werden kann. Dies wird auch in den einschlägigen Leitlinien nicht empfohlen. Die Abschätzung sollte in der Notaufnahme ex ante mittels z.B. dem Glasgow Blatchford-Score erfolgen (siehe auch unsere Checklist zur "oberen, nicht-Varizen GI-Blutung").

Der Sinnhaftigkeit dieser nicht-invasiven Risikostratifizierung geht Lim-LG et al. nach. Eine wirklich sehr interessante Arbeit: Bei einem Glasgow-Blatchford >12 führt die Durchführung der umgehenden Endoskopie (in dieser Studie wurde die Endoskopie innerhalb von 12 Stunden nach Aufnahme durchgeführt) zu einer signifikanten Senkung der Krankenhaussterblichkeit betroffener Patienten (10% des Gesamtkollektivs, also nur jeder 10. unserer Patienten gehört in diese Hochrisiko-Gruppe). In diesem Hochrisikokollektiv ist eine niedrige "Presentation to Endoscopy - Time" mit einer niedrigeren Sterblichkeit assoziiert ist.
Insbesondere die Abb. 3 der Arbeit zeigt wenig Erstaunliches: Die Krankenhausverweildauer ist bei später Endoskopie relevant länger! Hier könnte man durchaus aus meiner Sicht folgern, dass Patienten mit Hochrisiko-Situation möglichst schnell einer Endoskopie zugeführt werden sollten. Bei niedrigerem Glasgow-Blatchford Score /also <12/ führt die frühe Endoskopie zu keinem verbesserten Outcome betroffener Patienten. Aber aufpassen: auch bei Patienten mit niedrigem Score kann sich immer wieder einer verstecken, der im Verlauf sich verschlechtert und im zweiten Anlauf eine zeitnahe Abklärung benötigt (ca. 1/4 der Low-Risk Gruppe hat endoskopisch Hochrisiko-Stigmata).

Diskutieren Sie diese Arbeiten doch mit Ihren Kollegen. Wer sich weiter in diese Thematik vertiefen will, sollte die einschlägigen Guidelines durchsehen.

Dienstag, 3. Januar 2012

Tipps für die hohe Kunst der EKG Interpretation in der ZNA

In einem früheren Post habe ich auf Möglichkeiten hingewiesen, wie man sich gut die Grundkenntnisse der EKG Interpretation aneignen kann. Es bleibt einem nichts anderes übrig, vor dem Erfolg hat der liebe Gott den Schweiß gewollt: Das Selbststudium bleibt einem nicht erspart, aber der Wissensabgleich mit Erfahrenen ist essentiell!

Nun, welche Möglichkeiten bieten sich, um die Interpretation des 12-Kanal EKG in der ZNA in meisterschaftlichen Künsten zu erlernen? Ich kann hier ganz klar zwei Bücher empfehlen, die mich in ihrer Praxisrelevanz absolut überzeugt haben: Im Buch von Mattu/Brady erfolgt eine systematische Abhandlung der EKG-Interpretation, während das Buch von Brady/Truwit eher fallbezogen heranführt. Auf höchstem Niveau, spannend zu bearbeiten, und vor allem für die tägliche Praxis geschrieben.

Die englische Sprache sollte nicht abschrecken. Leider habe ich bisher in deutscher Sprache nichts Vergleichbares gefunden. Können Sie mir eine Empfehlung geben? Gerne übernehme ich Ihre Vorschläge!

Sonntag, 1. Januar 2012

Gutes Neues! Bacchus der Vater ...

.... Venus die Mutter, Zorn die Hebamm erzeugen das Podagram"

Ein passendes Zitat zu den üppigen Tagen der letzten Wochen. Ich hoffe, Sie haben auch die Silvesternacht gut überstanden und mußten nicht unter den Leiden der Gicht büßen.

Der Gicht bin ich erst vor kurzem in der Klinik begegnet und erntete allgemeines Erstaunen von den Umstehenden über meine Frage, wer jetzt das Gelenk punktieren würde. Und dieses Erstaunen liest sich auch aus einem Artikel im BMJ vom 10. Dezember. Sehr kritisch und analytisch gehen die Autoren auf die Defizite in der Versorgung von Patienten mit Gicht ein: Dies mag an mangelndem Teaching liegen (Gicht wird zwischenzeitlich im Fachgebiet Rheumatologie akademisch bearbeitet, ich kann mich an keine großen Vorlesungen oder Fortbildungen erinnern), mag an Werbeaktionen der Industrie, aber auch an unserem fehlenden Vständnis über die Diagnostik, Auswirkungen und Therapiemöglichkeiten der Gicht liegen. Lesen Sie diesen BMJ Artikel, sehr unterhaltsam und spannend.

Aber wie ist nun die korrekte Vorgehensweise in Diagnostik und Behandlung? Hierzu gibt es einen hervorragenden Artikel im NEJM vom Februar 2011. Auch aktuelle Artikel aus anderen Journalen lesen sich gut. Und hier auch noch ein frei zugänglicher, sehr gefälliger Text aus dem Am Fam Phys (sehr praxisnahe Übersichten, auch für Notfallmediziner sehr hilfreich!).

Es beginnt mit der Diagnostik. Die typische Lokalisation und eine erhöhte Harnsäure sind NICHT ausreichend, um die Diagnose Gicht zu stellen ... eine wichtige Differentialdiagnose ist die Pseudogicht. Zumal haben insbesondere ältere Frauen auch untypische Gelenksmanifestationen und werden manchmal als rheumatische Arthritis fehlbehandelt. Die Punktion des Gelenkspalts mit dem Nachweis von Uratkristallen in der Polarisationsmikroskopie hat zu erfolgen ... natürlich auch in der ZNA ....

Und der Akutbehandlung (Colchizin oder NSAID) folgt bei mehr als 2 Anfällen eine Prophylaxe mit z.B. Allopurinol in Dosierungen bis 800 mg pro Tag bzw. Benzbromaron. Die Hohe Tagesdosis ist kein Schreibfehler! Aber eine schrittweise Dosissteigerung beginnend etwa 2 Wochen nach dem Anfall ist selbstverständlich notwendig. Natürlich gibt es Therapieversager und andere Optionen, diese sollten Sie den Tabellen des NEJM Artikel entnehmen. Ja und .... eine asymptomatische Hyperurikämie wird nach momentanen Kenntnisstand NICHT medikamentös behandelt. Diätetische Maßnahmen sind natürlich für symptomatische und asymptomatische Hyperurikämie selbstverständlich!

Bei Notfallpatienten spritzt nicht nur das Blut, sondern betroffene Patienten haben gelegentlich auch andere, weniger aufregende Probleme wie die Gicht, die mit starken Schmerzen assoziiert sein kann. Man muß auch mit diesen banalen, aber häufig in unserer täglichen Arbeit vergessenen Krankheiten umgehen lernen. Wann punktieren Sie ?