Mittwoch, 29. Februar 2012

Alte Zöpfe abschneiden - Grundlage für innovative Norfallmedizin?

Der von einem Blogleser empfohlenen kritischen Artikel zu der oft geforderten, sehr liberalen Volumentherapie bei Sepsis (Hilton et al., Crit Care 2012) beginnt mit einem Ausspruch von John Maynard Keynes:

The difficulty lies, not in new ideas, but in escaping old ones, which ramify, for those brought up with them, as most of us have been, into every corner of our minds.

Kommt uns doch irgendwie bekannt vor .... Wir sind von einer Sache megamäßig überzeugt, dann kommt der Chef und schlägt neue Ideen vor, der Oberarzt war grade auf einem Kongress und beackert uns mit neu gehörten Konzepten oder wir werden von einem neu in unser Team dazugekommenen Kollegen auf einen neuen Lösungsweg hingewiesen (da hat dann auch der Chef Probleme ;-) , und wir finden unsere eigene Meinung so richtig und unumstösslich und so wahr ..... und beharren auf unserer alten (möglicherweise fehlerhaften) Einstellung/Meinung.

Prinzipiell ist es nicht schlecht, eine eigene Meinung zu haben, und ein neuer Besen muss nicht unbedingt besser kehren. Auch neue Vorschläge können Fehler beinhalten und zu viel "Wandel" kann zu einer gehörigen und unerwünschten Destabilisierung eines Systems führen.

Problematisch wird es aber, wenn wir felsenfest von Mythen überzeugt sind, und hierbei die Wahrheit nicht mehr erkennen. z.B. dass die Erderwärmung durch die vermehrte Sonnenaktivität zu erklären ist oder die Masern-Mumps-Röteln Impfung zu Autismus bei Kindern führt (Paper längst widerlegt, Paper zurückgezogen, Klageschriften noch und nöcher).

Dieses Verlassen alter Ideen, fehlerhafter Einschätzungen bzw. Mythen ist ein psychologisch verflixt schwieriges Unterfangen. Umso ùberraschender war ich, wie ich an einem Mittwoch (Ausgabe 1.2.2012) einen Artikel in der Süddeutschen gelesen habe. Dieser bezieht sich auf das "Debunking Handbook" das sehr einleuchtend und praktisch beschrieben auf das Verlassen alter Ideen eingeht. Wirklich lesenswert ....

Ich glaube, dass es extrem wichtig ist es, seine Einstellungen verändern zu können und offen gegenüber Neuerungen zu sein, diese aber auch kritisch zu bewerten, nicht jede unserer "alten Ideen" sofort umzustossen, aber auch neue Evidenzen und schlagkräftige Argumente zuzulassen. Der Wandel ist Teil der Medizin .... "Panta rhei" oder um es in den Worten von Platon zu sagen .... "Pánta chorei kaì oudèn ménei" ("Alles bewegt sich fort und nichts bleibt").

Was wird sich zukünfig in der Sepsistherapie Neues tun? Werden wir unseren momentanen Weg eines frühen Volumenbolus und nachfolgend restriktiver Volumensubstitution wieder verändern müssen?

Montag, 27. Februar 2012

Akute Lungenembolie - ambulant behandeln?

Die akute Lungenembolie bringt uns häufig zum Verzweifeln: man muss aktiv daran denken, da sie sich sehr unterschiedlich präsentiert, gerne Verzichten wir auf eine lege artis Abklärung unter Verwendung von Vortestwahrscheinlichkeiten (bei uns wurde verbindlich die Durchführung des Wells Score gefordert), nicht jeder pathologische Befund im Angio-CT muss offensichtlich therapiert werden und nun .... soll die Lungenembolie ambulant behandelt werden?

Nun nicht so schnell. Jeder von uns weiss, dass viele Patienten mit Lungenembolie einen völlig komplikationslosen Verlauf haben können. Nur wie ist dieser ex ante sicher festzustellen?

Hier konnten in den letzten Jahren Stratifizierungstools etabliert werden, die dies ganz gut können:

Der PREP Score beurteilt das Vorliegen einer kognitiven Bewusstseinsstörung, bzw. eines kardiogenen Schocks und gibt einzelne Punkte für erhöhtes BNP bzw. Auffälligkeiten in der Echokardiographie. Bei Vorliegen einer Low Risk Situation werden nahezu keine relevanten Endpunkte nach 30Tagen Follow-Up gefunden, also diese Niedrigrisikogruppe gut identifiziert.

Eine Schweizer Gruppe entwickelte den PESI Score (Pulmonary Embolism Index), der ebenfalls durch Vergabe von Punkten eine Risikokategorisierung zulässt. Die Kriterien umfassen Alter, Geschlecht, Komorbiditäten, hämodynamische Parameter, Sauerstoffsättigung und ebenfalls der veränderte Bewusstseinsstatus. Kommt somit ohne technische Untersuchungen aus. Auch hier kann sicher eine Niedrigrisikogruppe identifiziert werden.

In einer aktuellen Studie werden nun diese zwei Stratifizierungstools verglichen. Beide Tools hatten einen hervorragende negativ prädiktiven Vorhersagewert (PESI 100%, PREP 99%) bei einer Prävalenz von Tod während des 30 Tages Follow-Ups von 3% (Chan CM et al, J Hosp Med 2012 Jan; 7:22).

Nun, was bedeutet dies für unsere tägliche Praxis: Ich hätte unter den momentanen Gegebenheiten in Deutchland Schwierigkeiten, Patienten sofort ambulant weiterzuführen. Zumindest die Applikation von LMWH und das Erklären der weiteren Schritte benötigt Zeit. Wir legen Low Risk Patienten entsprechend obiger Einschätzung auf unsere Beobachtungsstation und entlassen die Patienten nach Risikostratifizierung und oberärztlicher Beurteilung frühzeitig nach Hause. Aber ... es gibt durchaus kritische Stimmen von den Niedergelassenen, die diese Vorgehensweisen aus ihrer Ausbildung häufig nicht kennen. Und nachdem auch im Krankenhaus häufig noch die Meinung vorherrscht, jede Lungenembolie gehört ind Bett .... nun, das ist ein anderes Thema.

Wer eine exzellente Übersichtsarbeit der amerikanischen Notfallmediziner lesen möchte, wird hier fündig. Viel Spass!

Samstag, 25. Februar 2012

Wann ein Schädel-CT beim leichten Schädelhirntrauma?

Ein Patient ist synkopiert und mit dem Kopf leicht aufgeschlagen. Häufig erhalten Patienten in dieser Situation ein CT des Schädels. Wir lassen uns hierbei meist von unserem Gefühl leiten ( was nicht schlecht ist) und setzen viele Patienten dem Risiko der Strahlenbelastung durch ein unnötiges CT aus.

So stellt sich die Frage, ob wir uns etwas strukturierter diesem häufigen klinischen Problem nähern können.

Als erstes stellt sich die Frage, was ist eigentlich ein leichtes Schädelhirntrauma?

Dieses ist definiert durch eine vorübergehende Einschränkung der Funktion des Gehirns durch ein Trauma, die mindestens ein Kriterium erfüllt:
- Bewusstseinsverlust
- Verlust der Erinnerung unmittelbar vor bzw. nach dem Unfall (Amnesie)
- Veränderung des mentalen Status (z.B. Übelkeit, Desorientierung, Verwirrtheit)
- fokal neurologischer Defizit (auch vorübergehend) der nicht folgende Kriterien eines schweren SHT erfüllt: a) Bewusstseinsverlust>30min, b) nach 30min ein GCS <13; c) Amnesie>24h

Diese Kriterien sind hier zusammengestellt, das Aufschlagen des Kopfes ohne Bewusstseinsverlust gehört somit nicht in die Kategorie des leichten SHT! Bei Patienten mit Synkope schwierig zu beurteilen, da aus anderer Ursache bewusstlos, aus klinisch praktischen Überlegungen dürfte ein sofort erwachender Patient. nicht in diese Kategorie gehören. Und vergessen Sie nicht die fokussierte neurologische Untersuchung durchzuführen einschliesslich der Beurteilung von Zeichen der Schädelbasisfraktur (Brillenhämatom, Battle sign (Ekchymosen am Mastoid!).

Wie häufig sind denn schwere Verletzungen des Gehirns bei leichtem SHT?
In ungefähr 6-9% der Fälle liegt eine Verletzung des Hirnparenchyms (diagnostiziert im CCT) vor, unter 1% der Fälle benötigen eine neurochirurgische Intervention.

In einer aktuellen Studie werden nun in einem US amerikanischen Kollektiv die Diagnostischen Wertigekeiten der Canadian CT Head Injury Rule und der New Orleans Kriterien untersucht. Beide Assessments haben eine Sensitivität von 100%, aber die CHIR hat eine höhere Spezifität (36 vs 10%). Diese Ergebnisse sind schwierig auf den eigenen klinischen Kontext zu übertragen, da die Prâvalenz von relevanten SHT im eigenen klinischen Tätigkeitsfeld anders sein kann. Aber zumindest erlaubt diese Studie, die CHIR zumindest in einer Erstbeurteilung mit einzusetzen. Tolle Arbeit!

Welche Items umfasst die Canadian Head Injury Rule?
1) Versagen, innerhalb von zwei Stunden, einen GCS von 15 zu haben
2) Vermutete offene Schädelfeaktur
3) Erbrechen >2h nach Ereignis
4) Alter über 65 Jahre sowie als
5) Medium Risk Kriterien
Amnesie vor dem Trauma von mehr als 30min bzw. ein gefährlicher Unfallmechanismus.

Zusammenfassend ist die Verwendung derartiger Assessment-Tools aus meiner Sicht unterstützend, derart betroffene Patienten zu beurteilen. Diese ersetzen aber nie die individuelle klinische Beurteilung und Entscheidung durch den diensthabenden Arzt. Studien konnten auch zeigen, dass die Verwendung dieser Tools zu mehr CCTs führt .....

Wir haben für unsere Kollegen orientierend an die NICE Guidelines und die Dt Gesellschaft für
Unfallchirurgie einen Algorithmus im Internet hinterlegt. Auch besondere Situation einer Blutungsneigung sind hinterlegt.

Freitag, 24. Februar 2012

YEP - Meningitis in der Notaufnahme

Diagnose und Therapie der (bakterielle) Meningitis/Meningoenzephalitis stellen eine der größten Herausforderungen in der Notaufnahme dar. Dies trifft vor allem zu, wenn der Patient initial nicht von einem Neurologen, sondern von einem Internisten oder Chirurgen gesehen wird.
In diesen Fällen geht bis zur richtigen Diagnose und Therapie häufig viel, viel Zeit verloren – Zeit, die der Patient bei diesem häufig fulminant verlaufenden Krankheitsbild nicht hat! Dies bedeutet, dass JEDER in der Notaufnahme tätige Arzt sich mit den Symptomen der Meningitis, der Soforttherapie, und der korrekten Diagnostik auskennen muss. Die Rücksprache mit einem erfahrenen Kollegen bzw. dem erfahrenen Neurologen (von Klinik abhängig) sollte umgehend erfolgen.

Welche Leitsymptome können also einen Nicht-Neurologen auf die richtige Spur bringen und somit dem Patienten das Leben retten?

Als erstes denkt man sicherlich an den Symptomkomplex  aus Fieber, Nackensteifigkeit und verändertem mentalen Status. Laut einer sehr interessanten Studie von van de Beek et al (New England Journal, 2004; auch The Lancet lässt sich bei diesem Thema nicht lumpen; Details auch in der neurologischen Leitlinie) tritt die vollständige Trias jedoch in unter 50% der Fälle auf.
„Screent“ man stattdessen seine Patienten gezielt nach den Symptomen Fieber, Nackensteifigkeit, Kopfschmerzen und verändertem mentalen Status (oder auch: "qualitative Bewusstseinsstörung" oder "unklare Enzephalopathie") und ist sich dabei bewusst, dass mindestens zwei dieser vier bei mehr als 90% der Meningitis-Fälle auftreten, besteht eine gute Chance entsprechende Patienten sicher herauszufiltern.

Hat man nun den Verdacht es mit einer Meningitis zu tun zu haben, gilt es schnellstmöglich eine (kalkulierte) antibiotische Therapie (gute Übersicht - leider nur bei Lizenz - bei http://www.notfallstandards.ch/;) zu beginnen, also die „door-to-antibiotic“-Zeit so kurz wie möglich zu halten, ähnlich wie bei anderen schweren Infektionen, bzw. der Sepsis (siehe dazu auch folgende Studie).


Die Einleitung der Therapie hat beim Verdacht auf Meningitis sofort zu beginnen! Schauen Sie auch aufs EKG: Eine Meningokokkenmeningitis (eine sehr teuflische Variante) macht häufig auch T-Wellenveränderungen wie bei kardinaler Ischämie, außerdem sind oft petechiale Einblutungen der Haut zu sehen. 


Zusammenfassend sollte jeglicher Zeitverlust, beispielsweise durch weitere diagnostische Maßnahmen, vermieden werden. Einzig die Entnahme von (idealerweise zwei Paar) Blutkulturen sollte vor Antibiotikagabe erfolgen, eine Lumbalpunktion (der nur beim bewusstseinsgestörten Patienten zwingend ein CCT vorausgehen sollte! Beim bewusstseinsklaren Patienten kann auf das CCT verzichtet werden!) kann auch nach Stabilisierung des Patienten durchgeführt werden.

Bei der Wahl der kalkulierten Antibiotikatherapie hat sich bei Verdacht auf ambulant (also nicht nosokomial!) erworbener bakterielle Meningitis Ceftriaxon (1x2-4g i.v.) bewährt. Bei klinischem Hinweis für eine Meningokokken-Meningitis sollte auch Pen G verabreicht werden (siehe Kurzzusammenfassung der Leitlinie der DGN). Zum Schließen der „Listerienlücke“ kann Ampicillin (3x4g) hinzugefügt werden. 

Desweiteren hat die Gabe von Dexamethason (10mg i.v., idealerweise vor Antibiotika-Gabe) zu erfolgen (v.a. nach folgender Metaanalyse). Lassen zusätzlich fokal-neurologische Symptome und/oder Krampfanfälle den Verdacht auf eine virale Encephalitis aufkommen, sollte die Therapie mit Aciclovir (10mg/kg KG) vervollständigt werden, um eine etwaige Herpes-Infektion anzubehandeln.

Falls notwendig erfolgt die weitere Stabilisierung des Patienten nach dem üblichen Muster der „early-goal-directed-therapy“ bei Sepsis noch in der ZNA oder auf ICU.

Alles in allem hat dieses Krankheitsbild nichts von seinem Schrecken verloren und nur bei einer rechtzeitigen Diagnose und zeitgerechten (=sofortigen) Therapie hat der Patient eine Chance.

Welche Erfahrungen haben die Nicht-Neurologen zu diesem Thema sammeln können (und müssen)?  
Gibt’s weitere wichtige Hinweise und Tipps seitens unserer neurologischen Leser?

Mittwoch, 22. Februar 2012

Basiskurs Intensivmedizin am Klinikum Nürnberg

Anfang Februar 2012 war  es wieder einmal soweit.
An der Intensivmedizin interessierte Kolleginnen und Kollegen aller Fachdisziplinen (Innere Medizin, Anästhesiologie, Chirurgie, Neurologie etc.) aus ganz Süddeutschland fanden sich am Klinikum Nürnberg ein, um am viertägigen „Basiskurs Intensivmedizin“ teilzunehmen.

Dieser vom cekib (Centrum für Kommunikation, Information, Bildung) ausgerichtete Kurs richtet sich vor allem an ärztliche Kollegen, die am Anfang ihrer Intensivstationsrotation stehen und soll in erster Linie die entsprechenden Grundlagen vermitteln.

Als Dozenten konnte erneut Nürnbergs intensivmedizinische „creme de la creme“ (mit insgesamt weit mehr als 200 Jahre ICU-Erfahrung,) gewonnen werden, um den größtenteils jüngeren Kollegen die verschiedenen Aspekte dieses spannenden Betätigungsfeldes näherzubringen.

Der Themenkatalog beinhaltete neben Basisthemen (BGA, Intubation und Analgosedierung, Ernährung von kritisch Kranken u.a.) auch ICU-spezifischer Krankheitslehre (v.a. Herzrhythmusstörungen, Infektiologie, Nierenversagen etc.) . Höhepunkte waren diesbezüglich unter anderem die Vorträge von Professor John (zum Thema Sepsis) und Professor Erbguth (über neurologische Krankheitsbilder). An den Nachmittagen konnten in hands-on-Kursen grundlegende Fähigkeiten wie Reanimation, Behandlung von Herzrhythmusstörungen, hämodynamisches Monitoring und Beatmung geübt und vertieft werden.

Insgesamt war der Kurs, der sich in den letzten Jahren als fester Bestandteil der süddeutschen Intensivmedizin-Szene etablieren konnte, wieder sehr gelungen und entließ seine Teilnehmer gut vorbereitet in den nächsten und sicher sehr intensiven Abschnitt ihrer ärztlichen Ausbildung.

Der weiterführende Aufbaukurs Intensivmedizin findet am 18./19. Juni 2012 statt, der nächste Basiskurs wieder im Oktober diesen Jahres (s. hierfür cekib.de). Ferner kann man sich am 3.März 2012 auf einem Symposium zum Thema „Sepsis und Multiorganversagen“ am Klinikum Nürnberg Süd auf den neusten Stand bezüglich dieser interessanten und komplexen Thematik bringen lassen. In den letzten Jahren war dies eine extrem gut besuchte Veranstaltung, mit hervorragenden Themen, die durch lokale, überregionale und internationale Referenten präsentiert wurden! 

Dienstag, 21. Februar 2012

Akute Psychose eines jungen Mannes - Hätten Sie es gewusst?

Nicht nur aktuelle Studien, sondern insbesondere gut strukturierte Fallberichte unterstützen uns, die Zusammenhänge von verschiedenen Symptomen zu verstehen ... und dies auch in unser medizinischen Umfeld anzuwenden.

Der im N Engl J Med geschilderte Fall eines jungen Mannes mit HIV Infektion und akuter Psychose liest sich so, als wäre er gestern bei uns passiert. In letzten Jahr hatten wir auf unserer Intensivstation ähnliche Fälle, und die waren nicht weniger komplex und schwierig zu lösen.

Empfehlung von meiner Seite: Nehmen Sie sich Zeit, diesen Fall zu lesen und die einzelnen Aspekte durchzudenken. Sie werden in kurzer Zeit viele Infos aufnahmen, welche auch für Sie/uns in der Notaufnahme oder auf Intensivstation sicherlich irgendwann für die Behandlung betroffener Patienten wichtig sind.

Sonntag, 19. Februar 2012

Karotissinusmassage - Ist sie wirklich nötig?

Ich habe per eMail ein aktuelles Paper zur Karotissinusmassage in der DMW erhalten. Gute Zusammenstellung, und wieder mal erschütternd wie uneinig sich die Autoren verschiedenster Studien sind, wie die CSM methodisch korrekt durchzuführen ist. Einige Autoren schliessen Patienten mit Stenosegäuschen über der Carotis aus, andere nicht, trotzdem kommen alle Autoren zum ähnlcihen Ergebnis, dass ca. 0.5-1.0% der Patienten, die eine CSM erhalten, relevante Nebenwirkungen aufweisen. Und was ist eigentlich der Sinn einer CSM bei Patienten mit Synkope?

Die Gesellschaft für Kardiologie hat sich in einer Stellungnahme zur ESC Leitlinie Synkopenabklärung geäussert. Die Autoren halten es für nicht empfehlenswert, bei jedem Patienten mit unklarer Synkope eine CSM durchzuführen. In dieser Situation ist eher ein implantierbarer Looprekorder weiterführend. Sehe ich ähnlich, weder ein pathologischer CSM noch eine pathologischen Kipptischuntersuchung erlauben die Aussage, dass der betroffene Patient einen Schrittmacher benötigen wird. Eine entsprechende Anamnese (beim Kopfdrehen oder beim
rasieren synkopiert, habe ich selbst sehr selten erlebt) lassen eine entsprechende Indikationsstellung zu, ansonsten sollten wir den Empfehlungen der Kardiologen folgen.

Aber zur Stellungnahme der Kardiologen möchte ich doch noch zurückkommen: aus meiner Sicht spiegeln diese Empfehlungen vor allem die Situationen in einem streng selektionierten Patientenkollektiv wider. Es wird in der Empfehlung der DGK nur die kardialen Synkopen als prognostisch ungünstig bewertet und darauf fokussiert. Da wir diese Sichtweise auch im Studium gelernt haben, ist für viele Kollegen die Verunsicherung bei der Abklärung von Patienten mit Synkope groß: Wichtig ist das Gesamtrisiko des Patienten zu erfassen und zu überlegen, ob wir durch geeignete Therapie diese eingeschränkte Prognose beeinflussen können! Es ist aus meiner Sicht nicht nötig, jeden Patienten durch zahlreiche Tests zu jagen. Zahlreiche andere Morbiditäten können auch bei einer vagovasalen Synkope mit einer ungünstigen Prognose assoziiert sein. Denken Sie an Synkopenpatienten mit schweren Elektrolytstörungen oder schweren Infektionen in der Notaufnahme. Dies haben wir erst kürzlich im Dt Ärzteblatt zusammengestellt und auch ein schönes Editorial von Prof. Werdan aus Halle erhalten. Ich glaube, es ist sehr wichtig, die notfallmedizinische Sichtweise der verschiedenen Symptome, zu der auch die Synkope gehört, zu beleuchten. Die klinische Realität in Notaufnahmen ist häufig eine andere ... Und dies spiegelt sich in Leitlinien zur Synkope auch aus Notfallmedizinischer Sichtweise wider, wie unter www.acep.org publiziert. Wir haben ein paar Hilfen für die Synkopenabklärung ins Netz gestellt. Vielleicht unterstützt dies (unter Synkope schauen).

Zurück zur DMW Publikation: einen, aber sicherlich geringen Stellenwert hat die CSM bei Schmalkomplextachykardien (meist sind das jüngere Patienten ohne relevante Risiken für Komplikationen), aber auch hier gibt es Alternativen (Valsalva Versuch, kaltes Wasser trinken, und natùrlich medikamentös). Ich habe mich nur ùber die Überschrift des DMW Arikels gewundert ... eigentlich wird darauf gar nicht eingegangen und auch keine Antwort gegeben. Schade, hätte hier mehr erwartet.

Freitag, 17. Februar 2012

Rasche Behandlung des Status Epilepticus im Rettungsdienst

Ich habe heute das N Engl Journal of Medicine aufgeschlagen, und bin mal wieder überrascht, wie notfall- und rettungsmedizinische Forschung in den USA zu hervorragenden neuen Therapiekonzepten führen kann. Der Zusammenschluss von 79 Krankenhäusern, 33 Rettungsdienstorganisationen und über 4000 Paramedics macht es möglich, randomisiert die Behandlung von übeer 800 Patienten mit Status epilepticus zu untersuchen .... wow, da kann man wirklich nicht mehr viel dazu sagen ...

Aber kurz zur Studie, die vielleicht auch für uns von Bedeutung ist:
Ältere Kinder und Erwachsene mit einem generalisierten Anfall von mehr wie 5min erhielten Placebokontrolliert entweder 10mg Midazolam i.m. oder 4mg Lorazepam i.v. (Tavor), dem empfohlenen Standard bei Status epilepticus. Die Studie war auf non-inferiorität designt.

Das überraschende Ergebnis ist, dass zum Zeitpunkt des Eintreffens in der Notaufnahme, bei mehr Patienten in der i.m. Gruppe der Anfall terminisert wurde (ca. 3/4), während in der i.v. Gruppe nur ca. 60% ohne motorische Zeichen eines Anfalls waren. Unerwünschte Wirkungen waren zwischen den Gruppen vergleichbar. Durch die Verwendung von Voice Rekordern konnte gezeigt werden, dass die i.m. Gruppe viel schneller ihre Thapie halten hat, wie die i.v. Gruppe .... eigentlich nicht verwunderlich ...

Jetzt wird sicherlich bei uns sofort vorgebracht, ja, ja, in den USA mit den Paramedics, dies ist ja nicht mit uns und unserem hervorragenden Notarztsystem vergleichbar ... die Argumentation stimmt schon, aber konnte in Deutschland bisher eine vergleichbare Studie durchgeführt werden bzw. ist die "hervorragende Qualität" der Notarzt-basierten Versorgung in Deutschland irgendwo nachvollziehbar dokumentiert? Ich finde, dass die Ergebnisse zeigen, wie wichtig eine gute strukturierte und standardisierte Vorgehensweise im Team ist, und vielleicht sollten wir unsere Rettungsassistenten mit mehr know-how ausstatten ... den Patienten zu liebe.

Was bedeutet die Studie für uns: Aus meiner Sicht kann als gute Alternative bei Patienten mit einem generalisierten Anfall alternativ zur i.v. Gabe eines Benzodiazepins (4mg Lorazepam i.v. wird primär empfohlen) auch 10mg Midazolam (Dormicum) als i.m. Injektion verabreicht werden. Dies lohnt sich für die Patienten: Je früher der Anfall durchbrochen wird, um so niedriger ist die Sterblichkeit und auch die Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten. Im Editorial finden sich noch viele weitere interessante Infos zum Thema ..... spannend wie ein Krimi zu lesen ;-)

Und noch was für Notfallfreaks: Wir sollten uns zusammentun, und auch in Deutschland ermöglichen, notfall- und rettungsmedizinische Forschung zu etablieren ... es macht Spass und trägt bei, die eigenen Abläufe zu optimieren. Die AG Wissenschaft der DGINA wird hier ansetzen, eine Einladung zum nächsten Treffen in Nürnberg wird demnächst rausgehen.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Notfallmedizin goes Bavaria ...


In der Notfallmedizinische Szene Bayerns tut sich was. Die Bayerische Landesärztekammer hat gemeinsam mit den Mitgliedern des Arbeitskreises Koinische Notfallmedizin Bayern die erste curriculäre Fortbildung zur klinischen Notfall- und Akutmedizin entwickelt.

Mittels "blended learning" (d.h. Kombination von Präsenz- und eLearning Modulen) wird nun ein 80 Stunden Kurs angeboten, der nach erfolgreicher Teilnahme mit einem Zertifikat abgeschlossen wird und aus meiner Sicht eine hervorragende Qualifikation ist.

Nähere Infos finden Sie auf den Seiten des Arbeitskreises bzw. auch unter www.blaek.de

Aus meiner Sicht ist dies der erste Schritt für mehr Qualifikation in der klinischen Notfall- und Akutmedizin. Diese strukturierte Fortbildung ist wirklich nicht schlecht ..... Sicherlich werden Sie, wenn Sie an einer Klinik der Arbeitskreismitglieder tätig sind und teilnehmen möchten, durch die Leiter der bayerischen Notaufnahmen auch finanziell unterstützt. Einfach mal anklopfen und fragen ;-)

Schmerzfrei bei kurzen Interventionen in der ZNA

Eine kurzprozedurale Sedation und Analgesie in der Notaufnahme ist in vielen deutschen Notaufnahmen kein etablierter Standard. Häufig werden Patienten in den Aufwachraum des OPs oder auf die Intensivstation verlegt, um Prozeduren unter entsprechendem Monitoring durchzuführen.

Woran liegt dies? Die Voraussetzung einer standardisierten Überwachung, die reine Manpower und auch das Training des Notaufnahmepersonals sind nicht überall umgesetzt. Auch das dazu benötigte Wissen bei ärztlichem und nicht- ärztlichen Personal weist keinen hohen Druchdringungsgrad auf.

Deshalb finfe ich die Übersichtsarbeit von Smally et al. sehr interessant. Die Kollegen diskutieren die personellen Voraussetzung für die Durchführung einer prozeduralen Kurzsedation und -anästhesie in der Notaufnahme (1 Arzt für die Prozedur, 1 Arzt für die Steuerung der Analgosedierung, 1 Notfallpflegende für das Monitoring und die Überwachung und eine zusätzliche Kraft nicht-ärztliche Kraft). Ein geforderter Standard, der in vielen Notaufnahmen Deutschlands schlicht personell nicht möglich ist.

Dann gehen die Autoren auf verschiedene Substanzem ein: Eine Kombi von Opiat und Propofol, Midazolam und Ketamin sowie auch eine Kombi von Propofol und Ketamin ("Ketofol") stellen effektive und sichere Varianten dar.

Das Monitoring sollte die Herzfrequenz- und Blutdruckmessung, sowie die pulsoxymetrische Messung der Sauerstoffsättigung umfassen, die Messung der endexspiratorischen CO2 Messung wird kontrovers diskutiert, von den Autoren trotz fehlender klarer Studien empfohlen.

Sehr interessant ist die Passage über die Notwendigkeit von "Fasten" (nüchtern sein über 6h)vor der kurzprozeduralen Sedation: Diese geforderte Vorgehensweise bei der Allgemeinanästhesie (frühe Studien zur Narkoseeinleitung bei gynäkologischen OPs aus der Mitte des 20. Jahrhundert) ist offensichtlich nicht 1:1 auf kurzprozedurale Sedation in der Notaufnahme übertragbar (dort geringere Narkosetiefe). Die Schlußfolgerung lautet deshalb, wenn man Warten kann, sollte Fasten vor der Prozedur erfolgen, falls es nicht möglich ist, gilt dieses Vorgehen auch als sicher.

Spannende Publikation, wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

Samstag, 11. Februar 2012

Das Wort zum Sonntag: Skurrile Fälle in der ZNA

….oder: Wieviel Humor ist in der Medizin erlaubt ?

Die Arbeit in der Notaufnahme beschert dem dort Tätigen immer wieder spannende, ergreifende, traurige und überraschende Momente, so dass man an manchen Arbeitstagen das gesamte Spektrum an menschlichen Emotionen durchlaufen kann. Erfreulicherweise kommt es gelegentlich auch zu äußerst skurrilen Situationen und so bleibt einem manchmal nichts anderes übrig als zu schmunzeln oder ungläubig den Kopf zu schütteln.

Immer wieder erheiternd sind Selbstversuche mit Lebensmitteln durch allergische Patienten:
Ein Klassiker diesbezüglich ist der 45 jährige Herr, der trotz bekannter Allergie auf Äpfel in regelmäßigen Abständen in Eigenregie austestet, ob diese noch besteht. Zu seiner Überraschung ist dies der Fall und 30 Minuten später trifft der Wissenschaftler per Rettungsdienst und mit dem Vollbild einer anaphylaktischen Reaktion in der Notaufnahme ein.
Weitere 30 Minuten und einige Dosen Solu Decortin und Antihistaminka später verspricht er hoch und heilig, nie wieder Äpfel auch nur anzuschauen, nur um acht Wochen darauf erneut anaphylaktisch vom Notarzt eingeliefert zu werden. Nach Apfelkonsum natürlich.


Oder die Geschichte von zwei ehemaligen Doktorandinnen unseres Chefs: Doktorandin I hat eine bekannte Neurodermitis und eine bekannte Nußallergie. Das Studium (und natürlich auch die Dr-Arbeit) ist hart, deshalb ist eine Mittagspause in einem Klasse Münchener Lokal notwendig .... Bestellung eines Salates (die Frage, ob Nüsse darin seien wurde vom Kellner verneint) ... anschließend Kratzen im Hals. Doktorandin I fragt den Ober, ob evtl. Nußöl verwendet werden würde ... dies wurde bejaht. Daraufhin fragt Doktorandin II: Wie lange dauert es denn, bis es Dir richtig schlecht geht? Darauf antwortet Doktorandin I: ca. 30min ... worauf Doktorandin II meint, dann hätte man ja noch 20min, um fertig zu essen ....  die Notaufnahme der Inneren Medizin ist  ja um die Ecke .... Doktorandin I kam im letzten Moment dort an ... und wurde mit erheblichen Mühen gerettet ... und war über längere Zeit das Tagesgespräch der Klinik .....

Weder verwandt noch verschwägert mit besagten Damen und Herren ist die ca. 30 jährige Patienten, die sich nach dem Verzehr eines Fertigpilzgerichtes mit ausgeprägter Übelkeit und Erbrechen im Schwall in der ZNA vorstellte. Nach Volumensubstitution und etwas MCP besserte sich die Symptomatik rasch und die Patientin konnte am nächsten Morgen die Klinik verlassen.
Keine vierzehn Tage später wurde eine ca. 30jährige Dame in der Notaufnahme vorstellig und zwar mit ausgeprägter Übelkeit und schwallartigem Erbrechen. Letzteres stellte sie eindrucksvoll im Untersuchungszimmer und auf meinem ärztlichen Kittel unter Beweis.  Spätestens jetzt kam einem die Dame bekannt vor und ein Blick in Computersystem bestätigte, was wir längst ahnten: es ist die Schwallerbrecherin von vor 2 Wochen. Was es zu essen gab, ergibt die Anamnese und ein Blick auf den Kittel: Pilze.

Dass man auch ohne Lebensmittelunverträglichkeit Spaß haben kann, bewies unlängst ein 50jähriger Mann. Seines Zeichen engagierter Kettenraucher und hochgradig adipös, verspürte er plötzlich einen linksthorakalen Druckschmerz, der ihn an einen Herzinfarkt erinnerte. Er musste es wissen, schließlich hatte er bereits zuvor zwei erlitten . Was macht man also als stolzer Besitzer mehrere bare-metal-stents in dieser Situation? Man entscheidet sich dafür, die Rettungskette Rettungskette sein zu lassen und schwingt sich aufs Fahrrad. Schließlich haben die Ärzte ja gesagt Sport sei gesund fürs Herz.
Nach nur 60 Minuten erreichte der Patient radelnder Weise die Klinik, time is ja schließlich muscle. Die Zigarette zur Beruhigung nach der Ankunft in der Klinik verzögerte den Beginn der antianginösen Therapie nur noch unwesentlich…

So unterhaltsam solche Episoden sein mögen, vor allem wenn man sie mit einem Schuss Ironie aufbereitet, so ernst sind die jedoch für die betroffenen Patienten.


Die Frage ist, ob man als Arzt, Pflegekraft oder Arzthelferin auf Kosten eines Patienten , der sich ja in der Notaufnahme stets in einer Ausnahme- und Stresssituation befindet, lachen darf. Hierzu ist in der Schweizerischen Ärztezeitung unlängst ein interessanter Beitrag von Jean Martin, Mediziner und Mitglied der nationalen Ethikkommission der Schweiz, erschienen.
Basierend auf einer Veröffentlichung von Watson K. (Northwestern University,USA) wird darin erörtert, ob und wie Humor in Bezug auf Patienten Teil des medizinischen Alltags sein kann und darf, vielleicht sogar muss. Letztendlich bleibt es wohl jedem selbst überlassen, wie man sich in solchen Situationen verhält. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein Schmunzeln zur rechten Zeit selten schadet.

Wie steht ihr zu diesem Thema? Hat „schwarzer Humor“ einen Platz im Klinikalltag und kann er vielleicht sogar positiv wirken, oder überschreitet er per se ethische Grenzen? Schönen Sonntag noch.

YEP - Medikament der Woche: Orciprenalin

„Alupent – nur wer’s kennt“ warnt eine alte Anästhesisten-Redensart.
Für solche Aussprüche  gilt, ähnlich wie für Sprichwörter und Bauernregeln im Allgemeinen, dass sie zumindest ein Quäntchen Wahrheit beinhalten. Um herauszufinden, um welches Quäntchen es sich im Falle von Alupent handelt, sollte man sich diesen doch sehr verbreiteten Wirkstoff etwas genauer ansehen.

Orciprenalin gehört zu den sympathikomimetischen Medikamenten und interagiert in erster Linie mit den Betarezeptoren.
Über die Stimulation von (kardialen) Beta-1-Rezeptoren wird eine positiv chronotrope, positiv dromotrope und positiv inotrope Wirkung erzielt, natürlich um den Preis der  Steigerung des myokardialen Sauerstoffbedarfs.
Gleichzeitig vermittelt eine Aktivierung der Beta-2-Rezeptoren neben der Dilatation der Bronchien auch eine  Erweiterung der Gefäße. Ferner kommt es zur Entspannung der Uterusmuskulatur.

Aufgrund der Beta-1-mimetischen Wirkung erfreut sich der Wirkstoff relativ großer Beliebtheit bei der Behandlung von bradykarden Herzrhythmusstörungen, vor allem höhergradiger AV-Blockierungen. Diese sind immer dann Atropin-resistent, wenn der Ort der Blockierung unterhalb des AV-Knotens zu vermuten ist.  In diesem Fall bringt „Vagolyse“ (die ja letztendlich durch die Gabe von Atropin erreicht werden soll) keinen Nutzen, da der zehnte Hirnnerv fast ausschließlich auf die Herzvorhöfe wirkt, die Ventrikel jedoch unbeeinflusst lässt.


In dieser Konstellation kann durch eine direkte Stimulation des Sympathikus (z.B. mittels Alupent (Orciprenalin)) eine Erhöhung der Herzfrequenz  erreicht werden.


Hierfür erfolgt die Gabe des Medikamentes als langsamer Bolus mit 0,25 – 0,5 mg (am besten in Verdünnung wg. der besseren Steuerbarkeit: 1mL Ampulle á 0.5mg auf 5mL mit 0.9%iger NaCL Lösung aufziehen: dies sind somit 0.1mg /mL in der verdünnten Lösung). Bei gutem Ansprechen kann die Gabe per Perfusor erwogen werden (hier gibt es "grössere Ampullen": 5mg in einer 10mL Ampulle, diese kann dann auf 50mL Perfusor in 0.9% NaCl aufgezogen werden, d.h. ebenfalls 0,1mg Orciprenalin pro mL in der Perfusorspritze, Gabe nach Wirkung, max. Dosis ist laut Fachinfo 0.5mg/h). ABER Cave: Bei ausgeprägter Bradykardie sollte rechtzeitig der Einsatz eines transkutanen Pacers vorbereitet werden (Notfallwagen mit Defi/SM neben den Patienten stellen), um den Patienten bis zum „Einschwemmen“ eines passageren Schrittmachers stabilisieren zu können.

Einen Haken gibt’s jedoch noch, was den Einsatz von Orciprenalin bei Bradykardie betrifft: Der Wirkstoff hat hierfür vor kurzem seine Zulassung verloren, ein entsprechender Einsatz bei o.g. Indikation geschieht also „off-label“ !  (Mittel der Wahl hierfür ist Adrenalin, allerdings in deutlich geringerer Dosis als bei Reanimation - sinnvoll ist hier zum Titrieren eine 1:100 Verdünnung: d.h. 1mg Adrenalin auf 100mL 0.9% NaCl Lösung.)

Bleibt also noch die Funktion als Beta-2-Mimetikum. In dieser Eigenschaft qualifiziert sich Alupent (mehr schlecht als recht) zumindest noch als Bronchospasmolytikum (0,25mg iv, 0,5-1 mg sc/im). In diesem Bereich sind jedoch genau hierfür selektive Beta-2-Mimetika deutlich besser geeignet, zumal Orciprenalin auf Grund seiner langen Halbwertszeit ein schwierig zu steuerndes Medikamt ist. (Zusammenfassend: hier die Finger weg vom Alupent!)

Kontraindikationen bestehen u.a. bei allen Formen von Tachykardie, KHK und bei erhöhter Katecholamin-Sensibilität (z.B. im Rahmen einer Thyreotoxikose) und auf Seiten der Nebenwirkungen ist, neben proarrythmogenen Effekten und Angina pectoris, vor allem das Auftreten eines ausgeprägten Hypotonie zu beachten. Diese resultiert aus der Beta-2 vermittelten Vasodilatation und kann bei ohnehin schon hämodynamisch instabilen Patienten richtig Ärger verursachen.


Betrachtet man also die Wirkweise und Effekte von Orciprenalin, kann man dem guten, alten Anästhesisten-Sprichwort nur beipflichten: „Alupent – nur wer’s kennt !“ . Wenn überhaupt.

Welche Erfahrungen habt ihr mit diesem Wirkstoff gemacht? Welche anderen Medikamente sind Eurer Meinung nach bei besagten Indikationen besser geeignet?


Donnerstag, 9. Februar 2012

Triage und Patientensicherheit in der Notaufnahme


Und ... ist bei Ihnen in der Notaufnahme schon eine "nurse driven triage" eingeführt? Jetzt sind vermutlich alle glücklich, oder? Oder nicht?

Hand auf´s Herz ... so richtig glücklich sind nicht alle. Schließlich müssen die Patienten mit den leichtesten Beschwerden, also die, die eigentlich nur kurz den Arzt sehen müssten, ziemlich unglücklich. Denn Sie müssen länger warten. Dies ist bei uns so, dies ist auch in anderen Notaufnahmen so.

Ein aktueller Kommentar im BMJ zu einem in Schweden implementierten alternativen Weg beginnt mit folgender Überschrift:
 "Do no harm" .... applies to all patients, including those waiting for their turn in the ED ... overcrowding is a serious threat to patient safety and must be tackled.

Der Autor des BMJ Editorials bezieht sich auf das in Schweden implementierte "Medical emergency triage and treatment system". Man arbeitet eher als "Triageteam", das auch einen erfahrenen Notfallmediziner umfasst, und steuert den Patientenfluss durch intelligente Steuerung in einen Fasttrackbereich (z.B. Kooperation mit Niedergelassenen Kollegen), auf die Notaufnahme Beobachtungsstation bzw. dem Bypass auf entsprechende Normal- oder Intensivstationen (siehe Graphik des BMJ Editorials). Dadurch entstehen im Kernbereich der Notaufnahme weniger Stau, der Flaschenhals wird kleiner und wird vermieden.

Ich sehe schon Barbara Hogans (Chefärztin der Notaufnahme Hamburg-Altona) Schmunzeln .... ich habe es Euch ja immer schon gesagt .... in meinem "First View Konzept" ist das bereits berücksichtigt. Kollegin Hogan involviert bereits beim Eintreffen des Patienten einen erfahrenen Notfallmediziner, der die Weichenstellung vorbahnt und bereits erste Untersuchungen anstoßt. Da kann es fließen ..... Ja, Ja, da hat sie nicht unrecht ....

Und was machen wir? Die Investition der Triageeinführung ("Emergency Severity Index") hat sich allemal gelohnt, die Grundprinzipien des Erkennens vital bedrohlicher Zustände wurden implementiert. Aber wir werden uns weiterentwickeln müssen und clevere Lösungen erarbeiten müssen, um den Stau vor der Notaufnahme zu vermeiden ..... "Panta rhei" alles fließt .......  ;-)

Mittwoch, 8. Februar 2012

Update Statistik - Numbers needed to treat and more ....

Das Lesen der medizinischen Fachjournale stellt häufig hohe Fachkenntnisse an unsere biometrischen bzw. statistischen Kenntnisse. Buchempfehlungen zu diesem Thema haben uns ja schon früher beschäftigt. Eine wichtige statistische Kenngröße sind die "Numbers needed to treat", also die Anzahl von Patienten, die therapiert werden müssen, damit eine Person "profitiert" (häufig ist dies der Endpunkt "Sterblichkeit", aber es könnte auch die Anzahl von Patienten benannt sein, die behandelt werden müssen, dass z.B. akute Kopfschmerzen erfolgreich therapiert werden). Weitere Infos finden sich im Netz, z.B. bei Wikipedia. Kurz und gut, es wird die Anzahl der notwendigen Behandlungen benannt, damit ein Patient profitiert. Man muss noch auf den untersuchten Endpunkt schauen (ist dieser wirklich relevant), dann hat man ein gutes Gefühl für das für und wider einer Therapie.

Leider sind diese Kennzahlen nur selten in den Fachjournalen publiziert, und ermöglicht uns nicht einen raschen Überblick zu bekommen. Insbesondere die Studien zu notfall- und intensivmedizinischen Themen sind ziemlich rar .... richtig einflußreiche Studien gab es erst in den letzten Jahren (Intensivierte Insulintherapie, Gabe von Hydrocortison beim septischen Patienten etc.). Meist geben Cochrane Analysen einen guten Überblick, stehen aber auch manchmal wegen der Auswahl der Studien, die zur Analyse verwendet wurden, in der Kritik.

In einem Kommentar zu einem früheren Post wurde ich auf die Website "The Numbers Needed to Treat" aufmerksam gemacht. In einer sehr kritischen und sehr kompetenten Art und Weise werden wichtige Therapiestrategien auch aus unserem Tätigkeitsfeld beleuchtet und transparent gemacht. Ich muss sagen alle Achtung! Die besprochenen Aspekte empfand ich als sehr kompetent bewertet, eine hervorragende Quelle im Netz (ist nun auf meinem Schirm! Danke für den Hinweis!) .... trotzdem bleibt eine Restvorsicht ... trotz auch diversen Fehlinformationen und Fällen von Scientific Misconduct sollten die großen Peer Reviewed Journale unsere Infoquelle größten Vertrauens bleiben! By the way .... ein aktueller Survey im BMJ geht davon aus, dass 1 von 7 britischen Forschern seine Daten frisiert, beschönigt, konstruiert, ..... Harter Tobak, und bei uns wird es nicht besser sein ..... Trotzdem nicht frustrieren lassen ;-)

Zurück zum eigentlichen Thema:
So wird unter www.thennt.com unsere unreflektierte Heparingabe bei allen Patienten mit V.a. akutes Koronarsyndrom aber sehr gehörig durcheinander gebracht und in einem begleitenden Blog auch noch kommentiert. Dieses spezielle Thema hat mich persönlich sehr verunsichert, da es natürlich die bisherige Lehrmeinung durcheinander wirbelt ... leider kann ich diesbzgl noch kein klares Statement abgeben .... aber die Argumente der Bostoner Autoren sind sehr nachvollziehbar und weisen darauf hin, dass wir uns vermutlich gehörig anpassen müssen. Zwischenzeitlich habe ich dies auch mit unseren stets hervorragend informierten Oberärzten und Fachärzten diskutiert. Diese schließen sich auch der im Blog von ww.thennt.com vorgebrachten Argumentationen beim "unselektierten Kollektiv von Patienten mit Thoraxschmerzen" an! (VORSICHT: Diese Aussage gilt für das Gesamtkollektiv von Patienten mit Thoraxschmerzen, die sich bei uns vorstellen, die Heparingabe bei STEMI und NSTEMI wird hier nicht diskutiert und sollte unverändert erfolgen).

Zusammenfassend sollten wir öfters auf die NNT schauen, und die zitierte Seite inspiriert sehr und regt zum Nachlesen und Nachdenken an .... eigentlich unser Thema ....

Dienstag, 7. Februar 2012

Angstthema tachykarde Rhythmusstörungen reloaded

Tachykarde Rhythmusstörungen sind insbesondere bei jungen ärztlichen Kollegen ein mit grosser Angst besetztes Thema. Auch auf meinem Workshop EKG auf dem Stuttgarter Intensivkongress stellte ich fest, dass die Häufigkeit tachykarder Rhythmusstörungen doch selten ist, und das Teaching dieses Themas möglicherweise optimierungsbedürftig ist.

Wie kann man dies praktisch lösen. Zunächst schlage ich das Lesen zweier hervorragender, auf die Bedürfnisse der Notfallmedizin geschriebene, frei zugänglche Manuskripte vor (Schmalkomplextachykardien, Breitkomplextachykardien). Die Seite www.ebmedicine.net ist übrigens überhaupt sehr zu empfehlen.

Das heutige Hauptthema sind die Breitkomplextachykardien. Das praktische Vorgehen könnte so aussehen:

1. Bei hämodynamischer Instabilität sofortiges Einleiten der Notfallmaßnahmen inkl. Kardioversion. Wenn irgendwie möglich, wäre das Schreiben eines 12-Kanal EKGs sehr hilfreich. Aber .... lebensrettende Maßnahmen haben Vorrang.

2. Bei Patienten mit hämodynamischer Stabilität zunächst ein 12-Kanal EKG schreiben. Der Rhythmusstreifen sollte nicht zu kurz sein! Aufpassen, auch wenn der Blutdruck normal sein sollte, die Patienten sind häufig am Rande zur hämodynamischen Instabilität. Immer den Notfallwagen bereit stellen lassen!

3. Gehen Sie zunächst immer von einer ventrikulären Tachykardie aus. Dann sind Sie auf der sicheren Seite! Außerdem ist das 12-Kanal EKG nie hundertprozentig zuverlässig in der Differentialdiagnostik. By the way ... Geschlecht, Alter, Herzfrequenz, Blutdruck helfen nicht, um zwischen SVT und VT zu differenzieren! In der Praxis bedeutet Breitkomplextachykardie (QRS >0.12sec) immer VT .... bis zum Beweis des Gegenteils.

4. Suchen Sie aktiv nach den Zeichen für einen typischen Rechts- bzw. Linksschenkelblock, wenn auch die Herzachse (Lagetyp) stimmt, können Sie tatsächlich von einer SVT mit aberrierender Überleitung oder vorbestehenden Blockbild ausgehen.

5. Bestimmte Kriterien (z.B. Nordwestachse, Fusionbeats, Capture Beat, AV-Dissoziation, positive oder negative Konkordanz) sprechen klar für eine ventrikuläre Tachykardie.

Diesen praktischen Ansatz nennt man den Griffith Approach .... aus meiner Sicht sehr praktikabel! Die ausführliche Beschreibung finden Sie im Originalartikel von Lau et al. bzw. in unserer Checklist Breitkomplextachykardie.

Noch Fragen oder Kommentare? Schreiben Sie doch Ihre Gedanken in den Blog!

Sonntag, 5. Februar 2012

Das Wort zum Sonntag: Aliens in der ZNA

....oder: "Kann man klinisches Denken lernen" ?


Beim Schmökern in englischsprachiger Fachliteratur fällt immer wieder auf, dass Wert darauf gelegt wird neben medizinischem Fachwissen auch die Fähigkeit zum klinischen Denken zu vermitteln. Hierfür nutzen die Kollegen im angloamerikanischen Raum häufig „Denkwerkzeuge“, die nicht selten aus Wissenschaften wie der Mathematik, der Statistik, der kognitiven Psychologie oder gar der Philosophie entliehen werden und dem Anwender beim klinischen Entscheidungsprozess helfen sollen.


So geht beispielsweise das  „Oxford Handbook of Clinical Medicine“, der Klassiker unter den Klinikleitfäden, ausführlich auf die Odds ratio ein. Ein anderes Tool, das ebenfalls immer wieder Erwähnung findet, ist „Ockhams Rasierklinge“.
Dieses imaginäre Messer wird eingesetzt, wenn man sich zwischen zwei Theorien zur Erklärung eines bestimmten Sachverhaltes entscheiden muss.

Am einfachsten lässt sich dieses Werkzeug (Rasiermesser des Ockham) an einem Beispiel erklären:
Wenn ich mich in unserem Arztzimmer in der ZNA umsehe, entdecke ich einen Computer, einen Stuhl und einen Schreibtisch, auf dem meine Tüte Chips liegt.


Theorie Nummer 1 kann also sein, dass sich in unserem Arztzimmer ein Computer, ein Stuhl und ein Schreibtisch (mit besagter Chipstüte) befinden.
Theorie Nummer 2 könnte aber postulieren, dass in besagtem Raum neben PC, Stuhl und Schreibtisch fünf Marsmenschen  zu finden sind, die jedoch unsichtbar und völlig geruchs- und geräuschlos ihr Dasein fristen.


Möchte ich mich nun für eine der beiden Theorien entscheiden, um zu klären, was sich tatsächlich in unserem Artzimmer befindet, helfen mir meine zur Verfügung stehenden Messinstrumente (nämlich Augen, Ohren und Nase) bei der oben beschriebenen Beschaffenheit der Aliens nur bedingt weiter.
Jetzt kommt Ockhams Rasiermesser zum Einsatz und schließt die Theorie aus, für die mehr Grundannahmen erfüllt sein müssen. Dieser philosophische Ansatz besagt, dass die einfachste Erklärung für eine Theorie oder Grundannahme die bessere Erklärung ist. Also, nicht über tausend verstrickte Ecken denken, sondern den direktesten Weg für eine Erklärung wählen. 

In diesem Fall handelt es sich eindeutig um Theorie Nummer 2, die für ihre Gültigkeit die Existenz von Leben auf dem Mars voraussetzen würde. Dieses muss dann zusätzlich noch so hoch entwickelt sein, dass es die Reise zu unserem Planeten antreten kann, nur um anschließend in unser (deutlich weniger entwickeltes) Arztzimmer einzuziehen. Theorie Nummer 1 ist also der Gewinner. (Andererseits würde Theorie Nummer 2 jedoch erklären, weshalb meine Chipstüte ständig leer ist…)

Im klinischen Alltag in ZNA und ICU müssen wir ständig zeitkritische Entscheidung bei unvollständiger Informationslage treffen. „The right decision, right now“ ist im Bereich der Akutmedizin das tägliche Brot des Klinikers, was ja auch letztendlich den Reiz dieses Betätigungsfeldes ausmacht.


Alte Hasen können in solchen Situationen auf ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen, Anfänger und Lernende müssen für sich andere Wege finden schnell und sicher die richtige Entscheidung zu treffen. Ob klinisches Denken eine erlernbare Fähigkeit (also ein Skill wie das Intubieren oder das Legen von ZVKs etc.) ist und somit auch den „young emergency physicians“ zu Verfügung stehen kann, ist die Gretchen Frage in unserer Ausbildung. Inwiefern Denkwerkzeuge wie die Odds Ratio oder Ockhams Rasierklinge dabei eine Rolle spielen können, ist ein weiteres interessantes Thema.

Welche Erfahrungen habt ihr diesbezüglich gemacht? Ist klinisches Denken eine Frage der Erfahrung und damit nicht lern- und unterrichtbar, oder gibt Abkürzungen in diesem Prozess, vielleicht durch den Einsatz besagter Tools…

Samstag, 4. Februar 2012

Akute Varizenblutung - Nachlese vom Stuttgarter Intensivkongress

Vom Symptom zur Diagnose .... so lautete die Session in der notfallmedizinische Themen der Gastroenterologie diskutiert wurden. Die Vorträge unseres Fürther Kollegen H. Dormann (Die Diagnostik bei akuten Bauchschmerzen) und des Leipziger Kollegen M. Bernhard (Akute Bauschmerzen immer chirurgisch?) waren wie immer genial.

Für mich persönlich besonders interessant war der Vortrag von Prof. K. Caca, Klinikum Ludwigsburg. Er ist auf die aktuelle Diagnostik und Therapie von akuten GI-Blutungen bei Patienten mit Leberzhirrhose eingegangen. Neben akuten Varizenblutungen liegen auch Ulkusblutungen in geringerem Anteil bei betroffenen Patienten vor. Die Gabe von i.v. 250mg Erythromycin zur Magenentleerung, die Gabe von Pantozol 80mg i.v., Antibiotikaprophylaxe mit z.B. Ceftriaxone, i.v. Gabe von 1-2mg Terlipression bereits vor der Endoskopie und die anschließende endoskopische Gummibandligatur sind auch bei uns gelebter Standard.

Prof. Caca ging dann auf die moderne endoskopische Therapie und die Prophylaxe von Rezidivblutungen bei Patienten mit Leberzhirrhose und Varizenblutung ein. Die zeitweise verlassene Interventionelle Therapie mittels TIPS wurde durch technische Neuentwicklungen revolutioniert. In einer internationalen Multicenterstudie war auch das Klinikum Ludwigsburg beteiligt: Die frühzeitige TIPS Anlage (24-72h nach Vorstellung) mit modernen PTFE beschichteten Stents bei Patienten mit Leberzhirrhose (Child Pugh B mit persistierenden Blutungen bzw. Stadium C) führt zu einer signifikanten Reduzierung von Morbidität und Sterblichkeit. In eindrucksvollen Bildsequenzen präsentierte er entsprechende Fälle. Mögliche Nebenwirkungen wie hepatische Enzephalopathie scheinen nicht überproportional häufig aufzutreten. Dies liegt offensichtlich auch daran, dass mit modernen Stents keine großen Diameter des Shunts notwendig sind. Der akute Stentverschluss bzw. Stentdysfunktion bei früheren Stents hatte das Verfahren limitiert und hat diese Technologie eher in den Hintergrund treten lassen.

Wer mehr dazu wissen will, sollte sich die zitierte NEJM Arbeit anschauen und die kommentierende Literatur lesen.

Wirklich spannend, welche innovativen Schritte die interventionelle Gastroenterologie zwischenzeitlich geht. In großen Zentren wird bei Patienten Child Pugh B mit früher Nachblutung bei Varizenblutung bzw bei Patienten mit schwerer Leberrzhirrhose (Child Pugh C) frühzeitig die TIPS Anlage diskutiert. Bei Bili über 5mg/dL kann diese Therapieoption nicht mehr gewählt werden.

Donnerstag, 2. Februar 2012

Stupid, it's the volume - Live vom Stuttgarter Intensivkongress

In Ahnlehnung an den Wahlkampfslogan von Bill Clinton (dort ging es nicht um "volume", sondern um "economy") hat Prof. Briegel aus München die Thematik der Volumengabe bei Patienten mit Sepsis und septischen Schock reflektiert und diskutiert.

Die hämodynamische Unterstützung mittels Volumen gehört zur Conditio sine qua non in der Akutmedizin. Wir versuchen in unseren Protokollen 1000mL Flüssigkeit (Kristalloide) in den ersten 30-60min bei Sepsispatienten zu applizieren. Auch aufgrund der verschiedenen Daten (u.a. auch Rivers, der innerhalb der ersten 6h nach Rekrutierung der Patienten aagrressiv Volumen therapierte, verfolgt dieses Konzept) stehen wir nach wie vor auf eine frühe, etwas freizügige Gabe von Volumen. Aber im weiteren Verlauf sollte die Volumengabe eher restriktiv erfolgen.

In der Studie von Boyd profitieren die Sepsispatienten am meisten, die max. 3l Volumen in den ersten 12 Stunden erhalten haben und auch über die weiteren Tage kumulativ eine eingeschränkte Volumenmenge erhalten haben. Lesen Sie auch das begleitende Editorial.

Ähnlich diskutiert auch Prof Briegel: Frühzeitig ausreichend Volumen, anschliessend eher restriktiv scheint die aktuell favorisierte Vorgehensweise zu sein.

Der Wandel in der Medizin wird auch durch einen Kommentar (siehe unten) nochmals thematisiert. Verwiesen wird hierbei auf ein exzellentes Manuskript von australischen Forschern um Hilton. Wirklich lesenswert! Danke für den Hinweis!

Take home message ist deshalb, dass die Volumentherapie nicht so standardisiert ablaufen kann, wie es organisatorisch wünschenswert wäre. Auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt, regelmässig überprüft und bedarfsgerecht adaptiert lautet die aktuelle Empfehlung und nicht vgessen, dass zu hohe kumulative Volumenmengen mit erhöhter Sterblichkeit assoziiert sind.