Freitag, 20. Januar 2012

EKG für jeden Tag - Ableitung aVR

Die Ableitung aVR wird von vielen Kolleginnen und Kollegen regelrecht missachtet. Man könnte somit eigentlich auch vom 11-Kanal EKG reden .... Die Ableitung aVR bietet aber in der Risikoabschätzung bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom wertvolle Informationen: minus aVR ist auf die linke untere Region des Herzens projeziert und deckt den von anderen Ableitungen nicht abgedeckten Bereich der elektrischen Vektoren ab. Bringen Sie sich nochmals den Cabrera Kreis in Erinnerung! Bei Wikipedia ist dies schön eingezeichnet und auch das Modell der normalen Erregungsausbreitung ist sehr hilfreich.

aVR bei Patienten mit ACS
Nun, was sagt uns die Ableitung aVR? Eine Hebung (entspricht einer Senkung linkslateral) deutet auf eine Ischämie im Versorgungsbereich der linken Koronararterie hin. Eine Hebung von (0.05 - ) 0.2 mV und mehr ist ein Prädiktor für das Vorhandensein einer schweren koronaren Dreigefäßerkrankung bzw. einer Hauptstammstenose/proximalen RIVA Stenose. Also, einfach die Ableitung aVR nicht vergessen, es stecken viele Informationen drin! Gute Übersichten finden sich hier oder hier.

Vergessen Sie aber nicht, dass es auch Mimics der ST-Elevation gibt!

Interessant ist, dass die T-Welle der Ableitung aVR prognostische Bedeutung hat! Eine positive T-Welle in aVR (in Abwesenheit eines LSB) ist in über 90% der Fälle mit einer strukturellen Herzerkrankung assoziiert und die Prognose ist eingeschränkt! Das Risiko zu versterben ist gegenüber der Referenzgruppe um das Fünffache erhöht! Schon die T-Wllenabflachung in aVR ist mit einem höheren Risiko verbunden (normal ist in aVR eine T-Welle tiefer als 0.2mV). Diese interessanten Infos gibt es zusammengefasst zu lesen in einem aktuellen Artikel aus 2010.



aVR bei der Beurteilung von Breitkomplextachykardien
Und dann hilft die Ableitung aVR auch bei der Beurteilung einer Breitkomplextachykardie. Die Differentialdiagnose zwischen VT und SVT ist schwierig (Wertvoller Tipp für die tägliche Praxis .... MERKE: Es handelt sich immer um eine VT, bis das Gegenteil bewiesen ist!). Eine positive R-Zacke, ein r oder q>40ms, eine Knotung im absteigenden Schenkel der Depolarisation bzw. ein v-i/v-t <1 (Verhältnis von Initialem bzw. terminalen Ausmaß der Depolarisation) sprechen schwer für eine VT. Lesen Sie diesen sehr praxisnah geschriebenen Artikel von Vareckei et al. (mit vielen Abbildungen und Erklärungen) und Sie werden in das Reich der praxisrelevanten Elektrophysiologie entführt! Hilft extrem bei der Erstbeurteilung einer Breitkomplextachykardie in der Notaufnahme, und ist praxisnah.

Der geschilderte Algorithmus ist natürlich (vergleichbar den Wellens-Kriterien bzw. Brugada-Kriterien) NIE hundertprozentig wasserdicht. Lassen Sie sich auf die Erklärungen ein, da man dadurch einen tieferen Einstieg in das Verständnis der EKG- Interpretation erhält! Übrigens finde ich den Griffith Approach für die EKG Beurteilung einer Breitkomplextachykardie eigentlich am besten mit hoher Praxisrelevanz. Dazu zu einem späteren Zeitpunkt mehr!

1 Kommentar:

  1. Und noch eine kleine Ergänzung: aVR- Abnormitäten (hohes Terminals R in aVR) als Hinweis auf Trizyklika-Intoxikation.
    http://lifeinthefastlane.com/ecg-library/basics/tca-overdose/

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