Akute Atemnot. Auf dem ersten Blick eine olle Kamelle werden Sie sich denken. Ist dies wirklich so? Nun, ich selbst bin immer wieder überrascht, welche individuellen Vorstellungen zur akuten Atemnot von Mitarbeitern des Rettungsdienstes, der Pflege aber auch Ärzte vorherrschen. Offensichtlich lernt man augenblicklich an der Uni bzw. in den Ausbildungscurricula mehr über abgefahrene Genmutationen, small interferring mRNAs (noch nie gehört, dann aber hallo .... ;-) , High-Tech Möglichkeiten der Gerätediagnostik. Das essentielle und grundlegende Handwerkszeug, das wir für die professionelle Versorgung von Notfallpatienten benötigen, die sich „vertrauensvoll“ in unsere Hände begeben, ist nicht komplett bzw. fehlt häufig komplett.
Aufgrund aktueller Begegnungen der Dritten Art während der Visite und Besprechungen und aufgrund des Vorschlages von einigen Blog-Lesern werden wir den Blog etwas mehr ordnen und Rubriken bilden, die unregelmäßig regelmäßig wichtige Themen der Notfallmedizin aufgreifen werden.
Enorm wichtig ist es aus meiner Sicht, sich mit dem Thema „Akute Atemnot“ zu beschäftigen. Bitte nun nicht gleich wegklicken .... Natürlich werden wir die bereits etablierten Rubriken „Fancy EKG“, „Hot Topics Notfallmedizin“, „Young Emergency Physician“ etc. weiterführen. Neu hinzu kommt nun die Rubrik „Akute Atemnot“.
Akute Atemnot ist eines der häufigsten Leitsymptome von Notfallpatienten. Die Differentialdiagnostik und –therapie ist bücherfüllend und ich könnte stundenlang mit Ihnen darüber reden. Vielleicht ist es auch ein bisschen eigenes Hobby, schließlich habe ich mich über mehrere Jahre bis jetzt auch in Lehre und Forschung damit beschäftigt.
Nun, was ist eigentlich akute Atemnot? Akute Atemnot oder Dyspnoe ist das abnormal bzw. als unbequem empfundene Gefühl beim Atmen. Ein paar frei zugängliche Literaturstellen finden Sie im Am Fam Phys und hier nochmals. Dies ist aber immer im Kontext zu sehen, was individuell als normal empfinden wird, und in welchem Trainingszustand die betroffene Person ist. Dies zeigt natürlich auch, wie subjektiv dieses Symptom ist. Tatsächlich habe ich schwerstkranke Personen kennengelernt, die keine „akute Atemnot“ als Symptom angegeben haben, sondern eher Müdigkeit und Abgeschlagenheit thematisiert haben. Und dann gibt es natürlich auch „gesunde Patienten“, die akute Atemnot angeben. Hier liegt die Ursache hin und wieder eher zentralnervös und benötigt andere therapeutische Strategien ;-)
Um akute Atemnot zu klassifizieren wird üblicherweise die NYHA Klassifikation verwendet. Für Forschungsarbeiten werden zwischenzeitlich andere Methoden der Klassifikation von akuter Atemnot mit höherer Validität vorgeschlagen. Da diese für die täglich praktische Arbeit doch zeitintensiver sind, ist kritisch zu hinterfragen, ob diese wirklich Einzug in den Alltag halten werden.
Warum nun das große Thema „Akute Atemnot“? Obwohl ich es aus eigenen Arbeiten zur akuten Atemnot in der Notaufnahme es eigentlich schon wusste, war ich doch wieder aufs Neue überrascht, mit welcher hohen Sterblichkeit das Leitsymptom „akute Atemnot“ in der Notaufnahme assoziiert ist. Martin Möckel und Kollegen aus der Charite haben in ihrer aktuellen, exzellenten Arbeit nochmals dargelegt, dass etwa 10% der Patienten, die mit akuter Atemnot eingewiesen wurden, während des Klinikaufenthalts gestorben sind. Bei akuten Brustschmerzen (Stichwort „Chest Pain Unit“) sind es ca. 1%, bei akute Bauchschmerzen etwa 4%! Seien Sie ehrlich, dies ist völlig anders in unserem Bewusstsein (und im Bewusstsein der Patienten) verankert.
Woran könnte dies liegen? Akute Thoraxschmerzen sind durch die Werbemaßnahmen der Niedergelassenen, der Kliniker, der Kardiologen etc. bei der Bevölkerung präsent, die deutsche Literatur der Romantik mit der Fokussierung auf „Herz“ haben ihr besonderes beigetragen (denken Sie auch an die Spider Murphy Gang ... mir tut mein Herz so weh .....) und Patienten mit akutem Koronarsyndrom werden zwischenzeitlich auch sehr gut versorgt. Über die Präventivmaßnahmen zur KHK brauche ich nicht weiter zu reden, diese sind bei jedem präsent (obwohl auch hier Verbesserungspotential ist).
Fortsetzung folgt ....
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