Wieder wird ein Patient, der sich in der Psychiatrie-Ambulanz vorgestellt hat, zur notfallmedizinischen bzw. internistischen Begutachtung vorbeigeschickt .... nervt unendlich. Sinnvoll oder unsinnig?
Nun, diesem Thema widmet sich ein sehr praktisch und gut geschriebener Artikel, der in der aktuellen Ausgabe von Notfall- und Rettungsmedizin publiziert wurde.
Zunächst wird darauf aufmerksam gemacht, dass etwa 10% der Patienten, die mit psychiatrisch auffälligen Symptomen vorstellig werden, eigentlich eine organische Ursache der Beschwerden haben. Es gibt natürlich viele Varianten der Kombination von somatischen und psychiatrischen Symptomen. Wichtigste psychiatrische Syndrome sind die akute Verwirrtheit, starke Angstzustände, psychotische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten. Zusammenfassend ist klar, dass die medizinische Untersuchung in dieser Situation unabdingbar ist.
Hervorragend ist, dass die notwendigen Screening-Untersuchungen tabellarisch aufgeführt sind (Anamnese, Untersuchung, Vitalparameter (essentiell!), Labor, evtl. Drogen/Alkoholscreening und EKG. Ich hätte vielleicht noch TSH als Laborparameter dazugekommen, aber ansonsten ist die Tabelle in einem sinnvollen Umfang. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass erfahrene Notfallmediziner weniger Tests verwenden, wie die psychiatrischen Kollegen. Dies hätte ich anders erwartet.
Zusammenfassend insbesondere für die jüngeren Kollegen ein wirklich gut zu lesender, und informativer Artikel!
Noch ein kleiner Nachtrag: Spannend in diesem Zusammenhang finde ich, dass es offensichtlich Bestrebungen gibt, das Fach Neurologie und Psychiatrie zusammenzuführen. Die Trennung zwischen Erkrankungen der Seele und des Nervensystems erscheinen immer artifizieller. Warum? Zunehmend zeigen Ergebnisse der Grundlagenwissenschaften, dass trotz der intellektuellen und institutionellen Barrieren "neurologische" Faktoren (sensorik, Motorik) und "psychologische" Faktoren wie Kognition, Affekte und Verhalten sich gegenseitig beeinflussen. PD White et al. sprechen von dem grundsätzlichen Bedarf, diese geschichtlich bedingte Trennung zu überwinden, und von "Störungen des Nervensystems" zu sprechen. Sehr spannender Artikel!
Was bedeutet dies für den Notfallmediziner? Nicht zu schnell eine Verhaltensauffälligkeit, Delir, Aggression oder ähnliches auf die "Psychoschiene" schieben. Häufig sind somatische Störungen Ursache dieser "Psychiatrischen Syndrome".
Die Tätigkeit in Notaufnahmen ist vielseitig und spannend. In diesem Blog stellen wir Neuigkeiten, Publikationen und noch viel mehr zu notfall- und akutmedizinischen Themen vor. Ziel ist es, Inhalte zu präsentieren, die praxisnah sind und unser tägliches Handeln in der Notaufnahme oder auf der Intensivstation betreffen. Selbstverständlich greife ich auch Beiträge aus anderen Bereichen der Medizin auf. Ich freue mich auf Ihr Feedback und Ihre Kommentare! Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!
Aktuelles in Notfall- und Akutmedizin
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Der Artikel hat als Aussage, dass die Wahrscheinlichkeit, dass bei Patienten mit psychiatrischen Symptome diese durch organische Ursachen hervorgerufen werden oder aber trotz einer psychiatrischen Erkrankung primär eine somatische Versorgung erforderlich ist, nicht gering ist.
AntwortenLöschenEs werden als "internistisches" Abklärung nahegelegt: Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung, Temperatur, Kleines Blutbild, Gerinnung (PTT, INR), Elektrolyte, GGT, GPT, GOT, Kreatinin, Harnstoff, CRP, Blutzucker, EKG, Drogenscreening
Aber muss ein solcher Patient wirklich in die Innere geschickt werden zur Begutachtung? Ich denke das es auch einer psychiatrischen Klinik mgl. sein sollte diese Werte zu erheben, ein Labor abzunehmen und dann bei Auffälligkeiten den Patienten vorzustellen. Primär zur "Begutachtung" heist oft die Erhebung dieser Befund auf andere Fachabteilungen zu verschieben.
Danke für die Kommentierung. Klar ist dies die prinzipielle Frage, muss alles über die Innere Medizin abgeklärt werden ..... dies ist aus meiner Sicht ein riesiges Problem, welche durch die Spezialisierung der einzelnen Fächer zustande kommt. Während die internistischen Kollegen riesige Probleme mit der Behandlung auch einfacher psychiatrischer Probleme haben, ist dies umgekehrt natürlich auch so. Mit anderen Worten, wir haben uns alle zu Fachidioten entwickelt.
AntwortenLöschenWir sind dabei, in unserer Klinik dies etwas besser zu lösen: Ziel ist, dass die erforderlichen Blutabnahmen und das 12-Kanal EKG bereits in der Psychiatrie durchgeführt werden und dann das "Medical Clearing" durch die Notfallmedizin durchgeführt wird.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist aus meiner Sicht, diese Tätigkeit nicht als "Idiotenjob" zu interpretieren. Er ist medizinisch von großer Bedeutung, und die fachspezifische Entwicklung hat dazu geführt, dass der Generalist immer mehr ausstirbt. Dem gilt es etwas entgegenzusetzen ....