Mittwoch, 29. Februar 2012

Alte Zöpfe abschneiden - Grundlage für innovative Norfallmedizin?

Der von einem Blogleser empfohlenen kritischen Artikel zu der oft geforderten, sehr liberalen Volumentherapie bei Sepsis (Hilton et al., Crit Care 2012) beginnt mit einem Ausspruch von John Maynard Keynes:

The difficulty lies, not in new ideas, but in escaping old ones, which ramify, for those brought up with them, as most of us have been, into every corner of our minds.

Kommt uns doch irgendwie bekannt vor .... Wir sind von einer Sache megamäßig überzeugt, dann kommt der Chef und schlägt neue Ideen vor, der Oberarzt war grade auf einem Kongress und beackert uns mit neu gehörten Konzepten oder wir werden von einem neu in unser Team dazugekommenen Kollegen auf einen neuen Lösungsweg hingewiesen (da hat dann auch der Chef Probleme ;-) , und wir finden unsere eigene Meinung so richtig und unumstösslich und so wahr ..... und beharren auf unserer alten (möglicherweise fehlerhaften) Einstellung/Meinung.

Prinzipiell ist es nicht schlecht, eine eigene Meinung zu haben, und ein neuer Besen muss nicht unbedingt besser kehren. Auch neue Vorschläge können Fehler beinhalten und zu viel "Wandel" kann zu einer gehörigen und unerwünschten Destabilisierung eines Systems führen.

Problematisch wird es aber, wenn wir felsenfest von Mythen überzeugt sind, und hierbei die Wahrheit nicht mehr erkennen. z.B. dass die Erderwärmung durch die vermehrte Sonnenaktivität zu erklären ist oder die Masern-Mumps-Röteln Impfung zu Autismus bei Kindern führt (Paper längst widerlegt, Paper zurückgezogen, Klageschriften noch und nöcher).

Dieses Verlassen alter Ideen, fehlerhafter Einschätzungen bzw. Mythen ist ein psychologisch verflixt schwieriges Unterfangen. Umso ùberraschender war ich, wie ich an einem Mittwoch (Ausgabe 1.2.2012) einen Artikel in der Süddeutschen gelesen habe. Dieser bezieht sich auf das "Debunking Handbook" das sehr einleuchtend und praktisch beschrieben auf das Verlassen alter Ideen eingeht. Wirklich lesenswert ....

Ich glaube, dass es extrem wichtig ist es, seine Einstellungen verändern zu können und offen gegenüber Neuerungen zu sein, diese aber auch kritisch zu bewerten, nicht jede unserer "alten Ideen" sofort umzustossen, aber auch neue Evidenzen und schlagkräftige Argumente zuzulassen. Der Wandel ist Teil der Medizin .... "Panta rhei" oder um es in den Worten von Platon zu sagen .... "Pánta chorei kaì oudèn ménei" ("Alles bewegt sich fort und nichts bleibt").

Was wird sich zukünfig in der Sepsistherapie Neues tun? Werden wir unseren momentanen Weg eines frühen Volumenbolus und nachfolgend restriktiver Volumensubstitution wieder verändern müssen?

1 Kommentar:

  1. Ergänzend ein Buchtip: Ein zum differenziert Denken anregendes Buch übers klare Denken
    http://dobelli.com/

    AntwortenLöschen