Freitag, 16. März 2012

Kryptogener Schlaganfall - Hilfe durch Verschluss eines offenen Foramen ovale?

Heute bewege ich mich etwas ausserhalb des Gebiets der Notfall- und Akutmedizin, aber in ein durchaus auch für uns relevantes Thema: Wie häufig sehen wir Patienten mit einem Schlaganfall, bei denen während der weiteren Abklärung Stenosen der hinrversorgenden Arterien ausgeschlossen wurden, kein Vorhofflimmern nachweisbar ist, und auch ansonsten keine primäre Ursache für den Schlaganfall gefunden wird. Dies nennt man einen kryptogenen Schlaganfall.

Und bei diesen Patienten wird relativ häufig ein offenes Foramen ovale gefunden, welches seit vielen Jahren insbesondere bei Vorliegen eines interatrialen Septumaneurysmas interventionell mittels eines Schirmchens verschlossen wird. Dadurch soll das Auftreten von Reinfarkten reduziert werden. Klingt alles sehr logisch, nur wurde bis dato keine entsprechende Studie zur Effektivität dieser Therapie durchgeführt. Bei hohen Kosten für dieses Device sollte man dies durchaus fordern, zumal auch die Komplikationsrate nicht unerheblich ist.

Diese Wissenslücke schliesst nun eine Publikation (CLOSURE I), die in der aktuellen Ausgabe des NEJM vorgestellt wird. Und es ist so, wie man es vermuten konnte: Die Patientengruppe mit Verschluss des offenen Foramen ovale hat keinen Vorteil gegenüber der medikamentös behandelten Vergleichsgruppe (Aspirin und Clopidogrel für 2 Jahre; der Stellenwert eines Markumarisierung ist in diesem Kontext umstritten). Interessant ist, dass auch keine Vorteile bei Patienten mit vorhandem interatrialen Septumaneurysma zu finden waren. Da bin ich schon etwas überrascht, das hätte ich anders vermutet.

Die Ergebnisse der Studie stellen in Frage, ob logisch klingende und pathophysiologisch bqegründete Interventionen ohne entsprechende Studien eingeführt und klinisch praktiziert werden sollen. Ähnliches gilt ja auch für moderne Aspirationsdevices für z.B. einen Schlaganfall oder eine akute Lungenembolie, oder immer moderner werdende interventionelle Strategien der Neuroradiologie. Klingt immer alles sehr vernünftig, erfreut den Experimentator in uns, ist aber dann ... nicht wirksam.
Die Kosten und die Ressourcenvergeudung für derartige Vorgehensweisen sind so hoch, ohne den Patienten zu nutzen ... da kann man das Geld durchaus in medizinisch wirkungsvollere Therapien investieren. Über die Sinnhaftigkeit von Therapien hatte ich ja schon diskutiert und z.B. auf die Website www.thennt.com verwiesen. Auf dieser Website wird z.B. auch äusserst kritisch die Sinnhaftigkeit der Lyse bei akutem Schlaganfall diskutiert. Obwohl die zahlreichen negativen Studien zur Lysetherapie andere Zeitfenster wie die ECASS II bzw. die NINDS Studien nutzen, folgern die Kollegen, dass etwa 1 von 20 Patienten geschadet wird, ohne irgendeinem wirklich zu helfen. Unterstützt wird dies Argumentation auch durch die Feststellung, dass die positiven Studien (ECASS und NINDS) ihre Ergebnisse nicht in dem üblicherweise verwendeten Format publizieren. Ohne dass ich die von den Leitlinien und den Fachgesellschaften empfohlene Vorgehensweise hinterfragen möchte, kommt man da schon ins grübeln ....

Zurück zur aktuellen Schirmchenstudie: Im begleitenden Editorial werden verschiedene Punkte diskutiert, u.a. auch die Möglichkeit, dass die eigentliche Gruppe an Patienten, die vom Verschluss profitieren würde, möglicherweise gar nicht eingeschlossen wurden. Die Rekrutierungsraten waren sehr langsam, die Vermutung einer Behandlung von schwerer kranken Patienten ausserhalb des Studienprotokolls liegt nahe. Trotzdem ist dies die bisher beste Studie für diese Fragestellung .... und wieder wird ein vernünftig klingendes Konzept demontiert ;-(

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