Samstag, 31. März 2012

Tox Update – Denken Sie an eine Kobaltintoxikation!


Sie haben noch nie differentialdiagnostisch an eine Kobaltintoxikation bei einem Patienten in der Notaufnahme gedacht? Wirklich nicht .... zum Trost, mir geht es ähnlich. 

Ich habe auch nur in den steltensten Fällen an eine Kobaltintoxikation gedacht ;-)

Typisch für eine schwere Kobaltintoxikation  sind Symptome der Neurotoxizität (allerlei mögliche neurologische Symptome wie Taubheit, Retinopathie, N. opticus Ausfall, kognitive Einschränkung, Tremor etc.), Hypothyreoidismus, und Kardiomyopathie. Trotzdem ist dies nicht alltäglich. Die Inhalation von Kobalt kam früher in der Metallverarbeitenden Industrie vor, bei den Reglementierungen in Europa wird des aktuell eher selten der Fall sein. Zumindest habe dies nie selbst erlebt (oder nicht daran gedacht ;-)

Deshalb finde ich einen Fallbericht aus Clin Toxicol 2012 sehr interessant: Es wird ein 56 jähriger Tscheche beschrieben, der Symptome einer schweren Kobaltintoxikation entwickelt hat nachdem eine frühere Hüftprothese wegen Malfunktion operativ ausgetauscht werden musste: Er hat dieses Mal eine „Metal-on-metal“ Prothese erhalten, deren Legierung aus Kobalt, Chrom und Titan besteht. In der Fallbeschreibung – die durchaus methodisch diskussionswürdig ist – wird die Symptomatik des Patienten auf eine Kobaltintoxikation (Kobaltkonzentration im Blut: 506mcg/L; Referenz: <0,9mcg/L) zurückgeführt. Er hatte einen Perikarderguss, Hypothyreoidismus, beidseitige Taubheit, sensorimotorische Polyneuropathie der oberen und unteren Extremität!

Jetzt wird es wirklich „strange“, oder?
Leider nein. Zwar habe ich entsprechende Berichte in Deutschland in den letzten Monaten nicht mitbekommen, aber im British Medical Journal gibt es seit Monaten eine umfangreiche Diskussion zur Qualität von Medizinprodukten wie z.B. von Hüftprothesen, die offensichtlich bisher nur unzureichend von den Kontrollbehörden und Herstellern analysiert wurden.

Das Ergebnis ist ein Drama: von NICE in Großbritannien wird seit ca. 10 Jahren gefordert, dass max. 10% der Hüftprothesen innerhalb von 10 Jahren wegen Malfunktion ausgetauscht werden dürfen. Manche Hersteller liegen Dimensionen über dieser Vorgabe. Dies liegt offensichtlich an fehlenden Daten und auch an fehlenden Vorgaben zur Genehmigung derartiger Produkte. Seit kurzem werden nun Hüftprothesen in einer hohen Risikoklasse eingruppiert wie z.B. auch Schrittmacher bzw. ICD. Dies bedeutet, dass ähnlich strenge Prüfauflagen zwischenzeitlich vorgeschrieben sind. Aber dies fehlte in der Vergangenheit.

Zurück zur Kobaltintoxikation:
Bestimmte Formen von Hüftprothesen (metal-on-metal; d.h. Metall Kopf, Metall Pfanne) sind mit bestimmten unerwünschten Wirkungen assoziiert: Metallermüdung und Implantatfrakturen, vermehrter Nachweis von Tumoren einschließlich hämatologischer Tumoren, und Vergiftungen durch freigesetzte Metallionen wie z.B. Kobalt. Inwieweit tatsächlich jede Form einer psychischen Auffälligkeit natürlich mit dem Nachweis erhöhter Kobaltionenkonzentrationen assoziiert ist, sei dahingestellt (ich trage auch noch „alte“ Amalgamlegierungen in mir und fühle mich wohl). Aber zusammenfassend ist diese Thematik offensichtlich wirklich klinisch relevant. Einen guten Artikel, der diese Thematik zusammenfasst, ist im März im BMJ publiziert.

Was bedeutet dies nun im klinischen Alltag?
Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit während der Anamneseerhebung nachzufragen, ob Operationen oder Implantationen von Fremdmaterial in der Vergangenheit durchgeführt wurden. Wenn ja .... denken Sie an den oben beschriebenen Zusammenhang mit der Kobaltintoxikation.
Unabhängig von der Freisetzung der Kobaltionen, die offensichtlich auch durch fehlerhafte Geometrie der Implantate einzelner Hersteller bedingt sein kann, können natürlich auch diese Implantate Ursache für eine Infektion sein. Erst vor kurzem wurde dies von PD Markus Wehler in seinem Vortrag thematisiert (siehe früherer Blog zur Fortbildung in München). Also, einfach daran denken ....

Hat jemand von Ihnen schon derartige Erfahrungen gemacht? Kommentierungen sind wie immer willkommen!

1 Kommentar:

  1. Gerne gebe ich an dieser Stelle noch ein Update: Ich habe mich mit Kollegen der Unfallchirurgie in obigere Thematik ausgetauscht. Die Thematik Kobaltintoxikation scheint in Deutschland kein Thema zu sein. Offensichtlich sehr abhängig von der Geometrie der Metal-on-metal Prothesen. Ansonsten wird in der zwischenzeitlich auch in Deutschland angekommenen journalistischen Aufbereitung sehr viel ausgeschlachtet. Daher macht es Sinn, sich fachlich mit den Fachspezialisten auszutauschen und vor allem nicht ùbrreagieren.

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