Sonntag, 8. Juli 2012

Update Notfallmedizin - Benötige ich eine arterielle Blutgasanalyse bei Exazerbation einer COPD


Wirklich interessante Fragestellung. Kollege Bernhard aus Leipzig hat mich auf diese kleine und feine Arbeit aus dem Eur J Emerg Med 2010 hingewiesen.

Beginnend mit einem Fallbeispiel stellen die Autoren die Frage, ob eine venöse Blutgasanalyse (die ja viel einfacher zu erhalten wäre) wesentliche Informationen für das Patientenmanagement zur Verfügung stellen würde. 
Dazu wurde in einer methodisch gut gemachten Übersichtsarbeit die aktuelle Literatur aufgearbeitet. Die Ergebnisse lauten wie folgt: Bzgl. pH und HCO3 bietet die venöse Blutgasanalyse vergleichbare Werte wie die arterielle Blutgasanalyse. Obwohl im Durchschnitt die pCO2 Werte der VBGA etwa 6mmHg höher sind, wie bei der arteriellen Blutgasanalyse, ist die Schwankung der Werte ziemlich hoch. Und damit wenig verlässlich. Auf der anderen Seite zeigen einige Studien, dass die VBGA durchaus auch als Screening für eine potentielle Hyperkapnie verwendet werden kann: bei einem pCO2<45mmHg in der venösen BGA kann man davon ausgehen, dass keine Hyperkapnie vorliegt. 
Über den Stellenwert des pO2 in der VBGA und seiner Beziehung zur arteriellen Blutgasanalyse brauchen wir wenig diskutieren, hier lässt sich keine vernünftige Beziehung darstellen. Eine Möglichkeit liegt in der transkutanen Sättigungsmessung, die aber auch bei Werten unter ca. 92% unzuverlässig wird.
Die Autoren folgern, dass die venöse Blutgasanalyse in der Situation der akuten Exazerbation einer COPD nur einen geringen Stellenwert hat. Außerdem würden vor allem Studien fehlen, die zeigen, dass mit Hilfe einer VBGA das Management betroffener Patienten erfolgreich gemacht werden kann.
Nun, ich erlaube mir eine kurze Kommentierung: Aus meiner Sicht könnte durchaus häufiger eine VBGA durchgeführt werden, und die für die Akuttherapie notwendigen Handlungsschritte in der Notaufnahme sollten problemlos eingeleitet werden können: Die Indikation für eine nichtinvasive Beatmung wird anhand des pH gestellt (der ja gut korreliert). Und die diagnostische Ableitung, ob eine respiratorische Acidose oder eine metabolische Acidose vorliegt, sollte unter Kenntnis von Base Exzess, HCO3- bzw. pH (meist ist auch noch Laktat in den Messungen vorhanden) problemlos möglich sein. Voraussetzung ist natürlich, dass man mit der Interpretation der BGA vertraut ist. Hilfestellungen finden Sie hier.
Die weiteren klinischen Interpretation obliegen ja dann meist der Intensivtherapie (längere Beatmung) bzw. den Pneumologen (Indikation zur Heimbeatmungstherapie). Hierfür sind die korrekten pCO2 Werte notwendig und damit kommt man dann nicht um die ABGA herum. Auch wenn bisher in keine Studie gezeigt wurde, dass das Management von COPD Patienten in der Notaufnahme mit den Messwerten einer VBGA alleine erfolgreich ist, sollte dies aus meiner Sicht mit ausreichender klinischer Sicherheit möglich sein. Ich habe wirklich nichts dagegen. Und man kann wirklich auf die auch für den Patienten unangenehmen Punktionen verzichten. 
Haben Sie eine andere Einschätzung oder Auffassung? Freue mich auf die Diskussionen!

1 Kommentar:

  1. Guten Morgen nach Nürnberg
    hier eine aktuelle Studie aus Irland:
    American Journal of Emergency Medicine
    Volume 30, Issue 6 , Pages 896-900, July 2012
    Venous vs arterial blood gases in the assessment of patients presenting with an exacerbation of chronic obstructive pulmonary disease, Peter McCanny, MBChB,
    Kath Bennett, PhD, Paul Staunton, MBBCh, Geraldine McMahon, MBBCh, BScAnat, PhD.
    Conclusion

    Venous pH and HCO3 values show excellent correlation with arterial values. Using a previously validated screening cutoff of 45 mm Hg, venous CO2 has 100% sensitivity in detecting arterial hypercarbia. There is insufficient agreement between venous and arterial CO2 for VBG to replace arterial blood gas in determining the degree of hypercarbia.
    Gruß
    Andreas Dauber

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