Donnerstag, 5. April 2012

Therapie-Update - Neue Therapie für akute Lungenembolie?

Die Einstellung der Antikoagulation bei Patienten mit akuter Lungenembolie ist nicht ohne. Nach dem Therapiebeginn mit Heparin erfolgt die Markumarisierung. Wird ein INR>2 für zwei aufeinanderfolgende Tage gemessen, kann die überlappende Therapie mit LMWH abgesetzt werden. Die Steuerung der Marcumarisierung wird dann dem Hausarzt überlassen.


Diese Form der Therapie Ist möglicherweise bald Anachronismus:

In einer aktuellen Ausgabe vom N Engl J Med wird die EINSTEIN-PE Studie präsentiert. über 4800 Patienten mit akuter Lungenembolie (massive bzw. High-Risk LE wurde ausgeschlossen) wurden eingeschlossen und eine Gruppe mit Standardtherapie behandelt (siehe oben, LMWH und Marcumar), die andere Gruppe erhielt zunächst 2x 15mg Rivaroxaban für drei Wochen, anschliessend 20mg einmal täglich (Achtung: die Ausschlusskriterien waren relativ umfangreich: z.B. keine Patienten mit KreaClearance <30, Medikamente mit CYP3A4 Aktivierung etc.). Die Ergebnisse sind sehr positiv:
Die Therapiegruppe mit Rivaroxaban war nicht inferior gegenüber der Therapie mit Marcumar. Die Rivaroxabangruppe hatte signifikant weniger Blutungskomplikationen [1 vs 2%] vs. Standardtherapie.

Zusammenfassung:
Die neuen oralen Antikoagulantien verändern unsere Möglichkeiten der Therapeutischen Antikoagulation. Obwohl ich selbst noch etwas skeptisch bin (sind Studienbedingungen mit Alltagsbedingungen vergleichbar), scheint sich tatsächlich eine neue Ära der Antikoagulationstherapie zu entwickeln. Aber die Kenntnis von relativen und absoluten Kontraindikationen ist unverzichtbar.

Info bei Blutungskomplikationen:
In einem früher Blog habe ich auf das Management bei Blutungskomplikationen unter oralen Antikoagulantien hingewiesen. Dies erfordert andere Strategien wie wir dies von Marcumar kennen.

2 Kommentare:

  1. Lieber Prof Christ,
    und nun die Gretchenfrage: empfehlen sie in Nürnberg die neuen Thrombinhemmer, und wenn ja welchen und für wen?
    Wie Sie in Ihrem früheren Blog dargelegt haben gibt es noch viele Unwägbarkeiten (Antidot?, Labortest zum Wirkungsnachweis, bzw zum Intoxikationsnachweis)
    Mein aktuelles Fazit:
    1.)Sei nie der erste und nie der letzte der ein neues Medikamente anwendet
    2.) Es fehlen mir noch Evidenz basierte (outcome orientierte) Daten zur Antidottherapie (es müsste doch für die betreffende Firmen möglich sein eine Datensammlung, der weltweit doch ausreichend hohen Fälle bei Blutungskomplikationen und den Effekt von z.B. PBSB zu erstellen. Bei der unteren GI-Blutung ist ja häufig eine Gerinnungsnormalisierung ausreichend um eine solche Blutung zu beenden (zumal eine endoskopische Blutungstillung bei der unteren GI-Blutung häufig frustran ist)
    Dies wäre ein klarer klinischer Endpunkt zur Messung der Effektivität eines Antidot bei Thrombinhemmer
    3.)Nierenfunktionsabhängige Antikoagulatien sind immer risikobehaftet (Ich sehe mindesten 1-2x/Monat schwere Blutungen unter NMH bei unerwarteter oder nicht monitorisierter Nierenfunktionsverschlechterung ( dann auch ohne funktioniernder Antidotmöglichkeit)
    4.)Im Aufnahmelabor der Notaufnahme muß PTT mitenthalten sein um Hinweise zu erhalten, daß ein Pat. Thrombinhemmer nimmt (über 10% aller Notfallpatienten können bei uns nicht alle ihre Medikamente angeben)
    5.) Gerinnungsbeinflussende Medikamente gehören zu den komplikationsträchtigsten Medikamentengruppen (zwei Highlights aus unsrere Notaufnahme: gestern ein 60 jähriger Patient mit einer arterielle Blutung aus einem Ulcus simplex recti unter NMH, ASS und Clopigrel, der innerhalb von 3h von einem Hb von 7,5 g/dl auf 3g/dl trotz sofortiger Endoskopie herunterblutete und notfallmäßig einer Operation unterzogen wurde (ebenfalls in einer Situation ohne geeignete Antidota (Minirin, Protamin wurden sine effectu eingesetzt)
    Allerdings sehe ich auch tägliche 1-2 Fälle in meiner Notaufnahme mit akuter zerebrale Ischämie bei Patienten mit Vorhofflimmern ohne bestehende Antikoagulation . Fluch und Segen liegen bei den Antikoagulatien sehr eng beieinander.
    6.) Es gibt allerdings doch auch viele Patienten denen wir aus praktischen Gründen Marcumar o.ä. vorenthalten müssen:
    -Patienten, die kognitiv eine immer wieder wechselnde Marcumardosierung nicht umsetzen können;
    -immobile Patienten, bei denen ein Hausbesuch notwendig wäre;
    -überlastete Hausärzte, die keine Kapazität für INR-Kontrollen haben;
    -Patienten, die aus unterschiedlichen Gründen kaum in den INR Zielbereich zu bringen sind;
    -Patienten, die in der Vorgeschichte eine intrazerbrale Blutung hatten...
    Dies wären für mich geeignete Kandidaten für die neuen Thrombinhemmer.

    Abschliessendes Fazit:
    Für mich ist die Zeit noch nicht reif, daß ich selbst Thrombinhemmer empfehlen kann - aber spätestens in einem Jahr wird sie es für bestimmte Patientengruppen sein.
    Die Konkurrenzsituation (also das 3 Thrombinhemmer im klinischen Rennen sind) stimmt mich hoffnungsvoll bald ein realistische Bild auch der Schattenseiten der Thrombinhemmer zu bekommen. Im Gegensatz zum 20. ß-Blocker oder dem 12. neue AT-1-Antagonisten halte ich die Thrombinhemmer nämlich für eine echte Innovation.
    Nicht zuletzt brauchen wir Notaufnahmemediziner einen Blog wie der von Prof.Christ um uns über diese neuen Medikamente austauschen zu können. Wir in der Notaufnahme sind die ersten die mit relvanten Nebenwirkungen neuer Medikamente konfronierte werden (ich könnte einiges z.B. zu Dronedarone erzählen und viele Rote-Hand-Briefen haben wir Notaufnahme ärzte doch schon Monate vorher antizipiert)

    Mit herzlichen Gruß aus der Interdisziplinären Notaufnahme im Klinikum Ludwisburg bei Stuttgart (ca 1000 Betten, ca. 29.000 ("atraumatische") Patienten /anno)

    Dr. med. Martin Schweiker , Leiter der Notaufnahme
    martin.schweiker@kliniken-lb.de

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  2. Lieber Herr Schweiker, ich danke Ihnen sehr für Ihre Ausführungen und würde mich natürlich freuen, wenn wir es über unseren Blog schaffen würden, den fachlichen Austausch in Notfallmedizin zu fördern (und dann auch zu leben). Der Anfang ist getan!

    1) Ich bin gegenwärtig ähnlich "unentschlossen" wie Sie. Sie stehen nicht alleine mit dieser Unsicherheit da und es ist tatsächlich schwierig, sich hier klar zu entscheiden:
    a) Studienbedingungen sind häufig doch anders wie "Real Life" (Ihre Ausführungen zu LMWH bei Niereninsuffizienz ist ein blendendes Beispiel)
    b) Offensichtlich besteht im klinisch - praktischen Arbeiten Unsicherheit, die einen lebhaften fachlichen Austausch notwendig macht.

    2) Neue, orale Antikoagulantien werden zunehmend verordnet (in unserer Klinik sind wir noch zurückhaltend, wir wollen aber auch nicht die letzten sein ;-), über das Management besteht bei uns grosse Unsicherheit.

    Deshalb folgender Vorschlag: Ich werde die angesprochenen Fragen nochmals detailliert recherchieren und in einem neuen Beitrag zusammenfassen. Deshalb bitte ich um Geduld.

    Zu Dronedarone: Schiessen Sie doch mal los! Wird gerne als Gastbeitrag aufgenommen. Mir einfach per eMail zusenden!

    Zusammenfassend möchte ich mich dem Tenor des Kommentars von Kollegen Schwaiker anschließen und fordere unsere Leser auf, die Themen der Notfall- und Akutmedizin mehr zu propagieren. Gerne unterstütze ich, wo es möglich ist. Der vorliegende Blog ist eine gute Möglichkeit!

    Herzlich, Ihr MC

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