Montag, 25. Juni 2012

Die Effektivität der Thrombolyse bei älteren Patienten mit akutem Schlaganfall ist nun BEWIESEN ....

... so liest man es im begleitenden Editorial der online publizierten IST-3 Studie. Gleichzeitig ist die Studie von einer Metaanalyse zur Thematik begleitet. Spannend denkt man sich, aber stimmt das nun alles wirklich?



Beim Lesen des Abstrakts und der begleitenden Kommentare ist man natürlich überzeugt von den Hauptaussagen der Autoren. Und dann sind die Paper auch noch in "The Lancet" publiziert. Dann kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen, oder?

Per Zufall habe ich eine Kommentierung zu diesen Studien in einem Notfall-Blog von Ryan Radecki gefunden. Und tatsächlich, wenn Sie sich die Original-Arbeit des IST-3 Trials durchlesen, kommen einem so manche Zweifel an den getroffenen Aussagen.... Während der primäre Endpunkt NEGATIV war (also Thrombolyse keinen Vorteil gegenüber dem Control-Arm gezeigt hat; eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, wie "unselektioniert" Patienten in diese Studie eingeschlossen wurden; zudem NICHT randomisiert! Lesen Sie sich mal den Methodik-Teil durch!).

In den Subgruppenanalysen gibt es Vorteile für die Lyse im Zeitfenster von 0-3h, Nachteile im Zeitfenster von 3-4,5h und wieder Vorteile im Zeitfenster 4,5-6 Stunden. Schauen Sie sich mal detailliert die Abb. 3 der Publikation an ..... Ich hatte ja zu einem früheren Zeitpunkt die statistischen Probleme des Erratischen bei Subgruppenanalysen ausführlich thematisiert. Irgendwie taucht die Frage auf: Sind die Daten, wie es in Medien und namhaften Neurologen vorgetragen werden, wirklich valide?

Und dann habe ich zum Thema auch noch einen in Nature publizierten Übersichtsartikel gefunden, der sich auch eher skeptisch der Thrombolyse bei akutem Schlaganfall widmet und vorschlägt, wir sollten mehr Aufmerksamkeit den Patienten zuwenden, die wirklich bei akutem Schlaganfall von einer Thrombolyse profitieren. Dies wird in einem Letter to Nature ebenfalls wieder von Ryan Radecki in ähnlichen Tenor kommentiert. Die kritischen Anmerkungen zu dieser Thematik in einem ebenfalls gut gemachten Analyse auf der Seite http://www.thennt.org/ hatte ich ja ebenfalls schon zu einem früheren Zeitpunkt erwähnt.

Die skeptische Haltung der amerikanischen Notfallmediziner zur Thrombolyse bei akutem Schlaganfall ist aus meiner Sicht durchaus nachvollziehbar. Sicherlich bin ich nicht der Fachspezialist, der eine rechtsgültige Aussage in dieser neurologischen Fragestellung geben möchte bzw. geben kann, aber ich erlaube mir durchaus zu formulieren, dass wir hier mit mehr Kritik umgehen sollten und nicht einem gewünschten Bias (es kann doch nicht anders sein, wie es sein soll) unterliegen sollten. Gleichzeitig ist aber auch anzumerken, dass die kritischen Stimmen gegen die undifferenziert angewendete Thrombolyse überwiegend von Ryan Radecki kommt. Er unterstellt einen Bias, der durch Verflechtungen mit der Pharmazeutischen Industrie zustande kommen könnten.

Ein lesenswerter Blog kommentiert das Thema wie folgt: Has neuro gone psycho? Wenn man sich wirklich mit der Methodik von Studien auseinandersetzt müsste man noch eins drauf setzen: warum publiziert The Lancet die Studie so positiv? Eigentlich enttäuschendes Ergebnis ....

Ich werde jedenfalls mal die Sache für mich beobachten. Wie würde ich mir ein Vorgehen vorstellen, wenn ich selbst einen Schlaganfall hätte (und ich noch unter 80 Jahre bin): Bitte ermöglicht mir die Durchführung der Thrombolyse im Zeitfenster bis 3 Stunden mit den in der Zulassung genannten Kriterien (d.h. keine Lyse bei leichter oder sich wieder deutlich bessernder Symptomatik, bzw. keine Lyse bei sehr schwerer Symptomatik, in diesem Fall dann lieber die Geräte ausstellen (und sich nicht im Altersheim versorgen lassen), das muss nicht sein; d.h. ich würde mir eine Lyse bei NIHSS 5-25 wünschen). Ist doch ein versöhnlicher Ausklang, oder?

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