Freitag, 1. Juni 2012

Interessantes im „The Lancet“: Redesigning Healthcare

Die Behandlung einer individuellen Erkrankungen nehmen in der Ausbildung, Weiterbildung, aber auch im praktischen klinischen Leben einen sehr hohen Stellenwert ein. Die Fokussierung auf einen Fachspezialisten machen dieses System jedoch wenig effektiv: Untersuchungen werden doppelt gemacht, sind ineffizient, und sind natürlich auch nervig für die betroffenen Patienten. Eigentlich nichts Neues (obwohl es häufig anders gesehen wird). Multimorbidität nimmt jedoch weiter zu, ist mit einer erhöhten Sterblichkeit und einer Abnahme der „Funktionalität“ assoziiert. Und dies ist auch noch mit dem sozioökonomischen Status verknüpft. Wie könnte nun eine Lösung aussehen?


OA A. Achterberg aus unserer Klinik hat mich nun auf einen interessanten Artikel im Lancet hingewiesen: In einer großen schottischen Erhebung im ambulanten Praxisbereich ergeben sich folgende Ergebnisse:
  1. Mit ansteigendem Alter nimmt die Anzahl von Mehrfachmorbiditäten in der Niedergelassenen-Praxis zu. Bereits mit 50 Jahren hat bereits die Hälfte der Personen mindestens EINE Morbidität (siehe Abbildung 1 - Sehr interessante graphische Darstellung dieser Thematik; leider kann ich sie aus Copyright Gründen nicht einstellen).
  2. Und dann noch etwas überraschendes: Es haben mehr Personen unter 65 Jahren eine Multimorbidität als Personen über 65 Jahren! Also, Multimorbidität ist nicht nur eine Frage des Alters.
  3. Niedriger sozioökonomischer Status ist mit einer höheren Multimoribidität assoziiert.
  4. Das Vorliegen einer psychiatrischen Störung (meist Depression) nimmt mit dem Alter zu, erreicht bei etwa 60 Jahren ein Plateau. Psychiatrische Störungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern. 
  5. Das Vorhandensein einer somatischen Störung ist häufig mit dem Vorhandensein einer psychiatrischen Störung assoziiert. Keine Frage, auch hier schließen Patieten mit niedrigerem sozialen Status schlechter ab.
Zusammenfassend fand ich diesen Artikel sehr interessant. Einiges war mir vorher auch nicht so klar und das hervorragende Editorial reflektiert auch noch in weiteren Aspekten. Ich fand den Titel treffend: Redefining health-care for those who use it ...

Auch wenn es sich hier um eine Erfassung in einer Population niedergelassener Ärzte handelt, sind natürlich auch einige Aspekte auf unseren Fokus der Notfall- und Akutmedizin übertragbar:
  1. Die Sicht durch die isolierte fachspezifische Brille führt bei der Versorgung betroffener Patienten zu Redundanzen. Es benötigt eine übergreifende Koordination durch einen Generalisten.
  2. Die aktuell favorisierten Versorgungskonzepte, die sich vor allem auf die Versorgung einer Krankheit konzentrieren, müssen vermutlich modifziert werden. 
  3. Viele Patienten mit somatischen Störungen weisen auch Störungen ihrer seelischen Gesundheit auf. Dieser Aspekt sollte auch im Bereich der Notfallmedizin mehr Berücksichtigung finden. So haben wir bei uns in Nürnberg extrem positive Erfahrung durch eine enge Kooperation mit der Klinik für Psychosomatik.
Lesen Sie doch den Artikel im Original. Er ist wirklich sehr informativ und inspiriert zum Umdenken. Viel Spass!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen